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1744 - Der lebende Alptraum

1744 - Der lebende Alptraum

Titel: 1744 - Der lebende Alptraum
Autoren: Jason Dark
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Motorhaube eines Vans. Ich sah die Menschen darin nicht genau, sondern nur zuckende Bewegungen, als sie ihre Arme hochrissen.
    Azur hatte nicht vor, sie anzugreifen. Inmitten des Hupkonzerts sprang er mit einem Satz auf das Dach des Vans und hob mit einer schnellen Bewegung die Gitarre an.
    Trotz des noch immer bestehenden Krachs und der Huperei war das, was Azur tat, wichtiger als alles andere. Es gab sogar Fahrer, die ihre Autos verließen, um der Gestalt zuzusehen, die auf dem Autodach stand.
    Der Horror war in London.
    Der Horror hatte ein Gesicht – einen bleichen Totenschädel.
    Und dann fing Azur an zu spielen. Er hämmerte auf den Saiten seiner Gitarre, und es geschah etwas, was kaum jemand für möglich gehalten hätte, ich eingeschlossen.
    Es waren Klänge wie Donnerhall. Sie breiteten sich in alle Richtungen aus. Einige der Menschen, die ihre Fahrzeuge verlassen hatten und jetzt neben ihnen standen, duckten sich, als wären sie von Schlägen getroffen worden.
    Ich hatte längst die letzte Distanz bis zum Straßenrand geschafft. Es gab keinen Zuschauer, der sich aktiv um den spielenden Tod gekümmert hätte.
    Das änderte sich!
    Zwar standen die Fahrzeuge dicht an dicht, doch es gab für mich genügend Lücken, um hindurchzuschlüpfen. Es war nur eine kurze Strecke, auf der ich laufend angesprochen wurde. Was die Menschen sagten, hörte ich nicht. Ich musste selbst über eine Kühlerhaube klettern, um so schnell wie möglich den Ort des Geschehens zu erreichen.
    Im Hintergrund hörte ich die Trillerpfeifen der Polizisten. Auch das Heulen einer Sirene war zu vernehmen. Mich störte das nicht. Ich sprang auf die Motorhaube, die zum Van gehörte, und war dem lebenden Albtraum plötzlich sehr nahe.
    Azur spielte noch immer. Dabei drehte er sich im Kreis. Noch wandte er mir den Rücken zu, doch die Drehung war rasch vorbei, und er sah mir ins Gesicht.
    Er sah aber auch die Beretta in meiner Hand und würde zudem wissen, wie schnell ich abdrücken konnte.
    Er gab mir ein Zeichen.
    Er schüttelte den Kopf, und noch in der Bewegung erwischte es ihn. Und zwar nicht von außen, sondern von innen. Er schien zu explodieren. Ich und auch viele andere Zeugen sahen das grellgelbe Licht in seinem Innern, das sich in eine Zackenlanze verwandelte, die auf die Wolken zuraste.
    Dann war er verschwunden.
    Einfach weg. Er kehrte auch nicht zurück, und man konnte denken, dass es ihn nie gegeben hätte. Ich ließ die Hand mit der Waffe sinken und hatte den Eindruck, aus einem tiefen Traum zu erwachen.
    Um mich herum hörte ich die Stimmen, die keine mehr waren, sondern Schreie. Wieder schlugen Hände auf Hupen. Ich sprang nach unten und hörte die Kommentare der Leute. Jeder beschuldigte jeden.
    Mit einem ersten Überblick stellte ich fest, dass mindestens ein halbes Dutzend Fahrzeuge in diesen Crash verwickelt sein mussten.
    Ich ging auf den Straßenrand zu. Die ersten Polizisten erschienen. Im Hintergrund drehten sich die Blaulichter, begleitet vom Klang der Sirenen.
    Eine Frau stellte sich mir in den Weg, kurz bevor ich den Gehsteig erreichte. Sie riss die Arme hoch und rüttelte an meinen Schultern.
    »Was war das?«, schrie sie mich an. »Wieder ein Terroranschlag? Los, reden Sie!«
    Ich drückte ihre Arme weg. »Nein, Madam, das war kein Anschlag. Sie können ganz beruhigt sein.«
    »Was war es dann?« Sie schrie mich an, in ihren Augen leuchtete die Panik.
    »Ich weiß es selbst nicht!«
    »Die Strafe des Himmels. Die Strafe der Götter!«
    Ich drehte mich nach rechts, denn von dort hatte mich die Stimme erreicht. Ein junger Mann mit langen Haaren hatte den Kopf erhoben und schaute zum Himmel.
    »Die Strafe der Götter!«, rief er immer wieder. »Es ist die Strafe der Götter für diese sündige Stadt. Das Verderben ist nah. Es wird uns alle in den Abgrund reißen.«
    So etwas hatte mir gerade noch gefehlt. Ich stieß den Mann zur Seite und sah zu, dass ich von der Straße wegkam. Plötzlich waren die uniformierten Kollegen da, aber auch Tanner und Elton Brown sah ich.
    Den Chiefinspektor hatte ich selten so ruhig gesehen. Er stand auf dem Fleck und schaute gebannt auf das Chaos. Die Unfälle hatten sich innerhalb weniger Sekunden ereignet. Ob es Verletzte gegeben hatte, wusste ich nicht. Immer mehr Polizisten strömten herbei und fingen damit an, die Unfallstelle abzusperren.
    Auch die Feuerwehr erschien, und wir erlebten zudem einen wilden Wirrwarr von Stimmen.
    Immer mehr Finger zeigten auf mich, denn man hatte mein
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