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1743 - Digital-Gespenster

Titel: 1743 - Digital-Gespenster
Autoren: Unbekannt
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diesen bekommt man im Leben nur einmal zu Gesicht, kurz vor dem Ende.
    Da war der Mond nur teilweise zu sehen. Dahinter ahnte ich das verlockende Glitzern von KOROMBACH.
    Und da war ein Planet, der Kurs auf die Erde nahm.
    Ich brauchte mehrere Sekunden, bis ich diese Tatsache nicht nur optisch, sondern auch gedanklich verarbeitet hatte.
    Ein richtiger Planet auf Kollisionskurs zur Erde. Oder nur zum Mond?
    Wo war der Unterschied letztlich? Wenn es zum Zusammenprall kam, war die Erde mit allen ihren Bewohnern verloren.
    Er wirkte sehr groß, dieser Planet, entsetzlich groß. Wenn ich meine Optik zu Hilfe nahm, wirkte er noch gigantischer. Und ich konnte es sehr genau sehen. Es war kein Komet, kein Asteroid - allerdings hätte auch das genügt, der Menschheit den Rest zu geben.
    Es war ein Planet. Ich konnte weiße Wolken sehen, blaue Streifen, die auf Wasser hindeuteten, braunes und grünes Land. Ein Planet, der Leben trug oder tragen konnte.
    Wo kam diese Welt her? Was hatte diese Welt auf Kollisionskurs mit der Erde gebracht? Und welche Macht war imstande, einen ganzen Planeten von einem Ort an einen anderen zu versetzen?
    Es gab keine Panik in dem Ferngleiter. Die Menschen starrten in die Höhe, verrenkten ihre Köpfe und sahen das Verhängnis auf sich zukommen.
    Wir flogen über die Weite des Pazifischen Ozeans - des friedlichen.
    Welch passender Name! Keine Gelegenheit, irgendwo zu landen, und selbst wenn: Auf den Raumhäfen Terras war jetzt die Hölle los, jeder würde verzweifelt versuchen, in letzter Minute noch einen Platz in einem Raumer zu bekommen.
    Millionen in Panik. In Todesangst. Und ohne die geringste Chance.
    Ich ließ mich in meinen Sessel zurücksinken.
    So war das also. Immerhin, größeren Aufwand für mein Ende konnte ich mir kaum wünschen. Es bedurfte immerhin eines kollidierenden Planeten, um Orpheus Chambers in die Unterwelt zu schicken, allerdings ohne die Möglichkeit einer Rückkehr. Und es gab auch keine Gemahlin, die im Totenreich auf mich gewartet hätte.
    Eigentlich schade. Ein so übler Bursche war ich doch eigentlich nicht, oder? Jedenfalls nicht so übel, daß ich es verdient hätte, an diesem Tag zu sterben. Aber wer hatte das schon?
    Ich bestellte mir einen Drink, einen fünfstöckigen. Es kam ja jetzt wohl nicht mehr darauf an. Der Service wurde von Robotern abgewickelt, die sich von einer Massenpanik nicht anstecken ließen. Während ich nippte, wurde in meiner Nähe leise gebetet, zu einer Vielzahl von Göttern und Göttinnen. Wenn uns noch zu helfen war, dann würde es in der Tat eines Heeres von Göttern bedürfen, das Unvermeidliche doch noch abzuwenden.
    Der Flug ging weiter; in der Kabine legte sich eine stickige Angstluft über alles und jeden. Einige beteten, andere schwiegen, etliche Passagiere ließen sich vollaufen. Wahrscheinlich reichte die Zeit aber nicht, um die Grenze zur Besinnungslosigkeit noch rechtzeitig zu überschreiten.
    Verschlafen konnte ich den Weltuntergang nicht.
    Wie lange mochte es dauern? Einen Tag? Ein paar Stunden? Oder nur noch Minuten?
    Bevor es zum Zusammenprall kam, würde die Erde vermutlich in Teile zerbrechen, das verlängerte die Prozedur. Und es würde wahrscheinlich weh tun, bevor es aus war.
    Diesen Gedanken haßte ich. Sterben muß schließlich jeder, aber ein bißchen Würde sollte dabeisein, sogar bei einem Typen wie mir. Ich wollte nicht wimmern und winseln, wenn es zu Ende ging, weder vor Angst noch vor Schmerz. Aber wen wollte ich eigentlich mit dieser Charakterfestigkeit noch beeindrucken? Es würde keine Zuschauer geben, nur Teilnehmer der Katastrophe.
    Wie würde es Sheremdoc erleben? Würde er weglaufen? Oder - so stellte ich es mir vor - bis zuletzt aufrecht stehen, Grimm und Entschlossenheit im Gesicht?
    Noch besaß ich die Sonderprivilegien, die er mir eingeräumt hatte. Ich aktivierte meinen Mini-Syntron und versuchte eine Verbindung zu Sheremdoc herzustellen. Es kam aber kein Kontakt zustande.
    Wahrscheinlich war der Glatzkopf zur Zeit ein wenig zu beschäftigt.
    Schade, ich wäre gern an seiner Seite gewesen. Es hätte das Ende leichter gemacht, sich an ihm als Vorbild seelisch festzuklammern. Der Mann hatte Format, das gab ich zu, bemerkenswertes Format.
    Aber ändern konnte auch er nichts.
    Der Ferngleiter setzte seinen Flug fort, als wäre nichts geschehen.
    Lediglich die Musik, die uns berieselte, hatte ihren Charakter geändert: Ernste Klänge sollten uns wohl auf den Untergang der Erde einstimmen.
    Der Gleiter
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