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1727 - Der Kristallkopf

Titel: 1727 - Der Kristallkopf
Autoren: Unbekannt
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Katastrophen, Melodramen. Der ganze Vorgang - er nahm kaum mehr als ein paar Sekunden in Anspruch - schien für Uhns Torbig ausschließlich aus optischen und akustischen Informationen zu bestehen, jede einzelne frei von irgendwelchen seelischen Empfindungen.
    Torbig sah, wie die Augen des Mannes starrer und dann milchig wurden.
    Er sah, wie sich die Haut an den Wangen entfärbte und verhärtete. Er hörte - seltsam, daß er das schwache Geräusch in dem allgemeinen Geräuschchaos so scharf und detailgenau wahrnehmen konnte -, wie der Mann, dessen Namen er nicht einmal kannte, ein letztes Mal ausatmete, ein halb ersticktes Keuchen, das mitten im Ton erstarb.
    Uhns Torbig sah, wie sein Gegenüber zur Seite kippte. Der Mann hatte gerade einen Schritt machen wollen, als er getroffen worden war, und nun vollendete er diese Bewegung, nur noch den Gesetzen der Schwerkraft gehorchend.
    Uhns Torbigs Blick hatte sich gleichsam festgesogen an der Wunde - nicht mehr als eine Schramme, die sich am Hals des sterbenden Mannes entlangzog, aber nun so deutlich sichtbar wie die Spuren, die ein Schlittschuh auf präpariertem Eis hinterließ. Das war die ganze Verletzung, die der Mann davongetragen hatte. Dieser Kratzer brachte ihm den Tod.
    Er hatte es gewußt. Uhns Torbig blickte dem Sterbenden - dem Toten? - in die starren Augen und suchte darin nach der Antwort auf eine Frage, die er selbst nicht genau hätte formulieren können.
    Die Antwort, die ihm die frostdampfenden Augäpfel gaben, deren Iris sich entfärbt hatte und die jetzt nur noch weiß wirkten, mit dem weit geöffneten Schwarz der Pupille in der Mitte - diese lautlose, aber eindeutige Antwort entsetzte Uhns Torbig.
    Dann war die Szene vorbei, fast...
    Der Tote prallte auf den Boden, barst, zerschellte und zerfiel in Tausende von Teilen, die sich auf dem Boden verstreuten. Uhns Torbig konnte ein Auge erkennen, das über den Böden schlitterte und sich dabei um sich selbst drehte; Zähne, die beim Aufprall zerplatzten und einen elfenbeinfarbenen Nebel aufsteigen ließen; ein Stück Kopf, reifbedecktes Haar, weiße Schädeldecke und das weißrote Gemengsel, das einmal zum Gehirn des Mannes gehört hatte, den Sitz seiner Persönlichkeit ausgemacht hatte. Der Kopf brach am Halsansatz ab, wie aus einer aufgeplatzten Tüte voll Paprikapulver zerstaubte zinnoberfarbenes Pulver und breitete sich auf dem Boden aus: das durchgefrostete Blut des Toten.
    Aus dem Inneren des SERUNS, dessen Helm nicht geschlossen gewesen war, erklangen Geräusche: Knistern, Krachen, Zischen. Der SERUN hielt, aber sein Inhalt zerfiel in eine Masse aus gestoßenem Eis, in größere und kleinere Stücke unterschiedlicher Farbe und Form, ein gräßliches Puzzle des Todes, aus dem niemand jemals wieder ein identifizierbares Bild würde erstellen können.
     
    10.
     
    „Allmächtiger!"
    Torbigs Kopf flog herum. Herrea Dinah stand auf der Schwelle der Kabine und kämpfte mit aufsteigender Übelkeit.
    „Was ist hier passiert?"
    Uhns Torbig preßte die Zähne aufeinander. In einem Kaleidoskop grausiger Details, winziger Filmschnipsel, aus Geräuschen, Gerüchen und eigenen Empfindungen jagten die Einzelheiten dieser letzten Szene immer wieder durch Torbigs Denken und erfüllten ihn mit einer gräßlichen Leere, die fast schlimmer zu ertragen war als Angst und Entsetzen.
    „Ein Todesfall!" antwortete Uhns Torbig hektisch. Seine Stimme wurde mit jeder Silbe lauter, er schrie schließlich, und seine Stimme kippte.
    „Nichts Besonderes. Paß auf dich auf, und aktiviere endlich die Schirmfelder deines SERUNS!"
    Er starrte in das Gesicht seiner Laborpartnerin, das erstarrte wirkte vor Angst. Herrea war blaß, ihre schmalen Lippen zitterten heftig. Rasch wandte Uhns Torbig den Kopf. Es war nicht nötig, daß sie ihm ansehen konnte, wie es um ihn bestellt war - kein bißchen besser nämlich.
    Im nächsten Augenblick fiel in der MANAGA die künstliche Schwerkraft aus. Nach ein paar Sekundenbruchteilen hatten die SERUNS den Mangel kompensiert, aber jeder Beausoleil an Bord wußte nun, daß sich die Lage zuspitzte.
    „In die Zentrale!" klang es aus einem der Lautsprecher. „Alle Mann in die Zentrale!"
    Das konnte nichts Gutes bedeuten.
    Uhns Torbig arbeitete sich mühsam voran, über Trümmer und Schutt hinweg und über nebeldampfende Anhäufungen von eisigen Trümmern, die alles und jedes hatten sein können, bevor sie dem Kristall-Eising zum Opfer gefallen waren - auch Beausoleils.
    Herrea Dinah folgte ihm; sie
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