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1693 - Letzte Zuflucht: Hölle

1693 - Letzte Zuflucht: Hölle

Titel: 1693 - Letzte Zuflucht: Hölle
Autoren: Jason Dark
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überlegte, ob sie am Straßenrand Deckung suchen oder sich ruhig zeigen sollte. Sie entschied sich für Letzteres. Vielleicht kam da jemand, der ihr helfen konnte. Und so blieb sie auf der Straßenmitte stehen und wusste, dass sie gesehen werden würde.
    Das war auch der Fall. Sie hörte den schrillen Klang einer Glocke, dann war das Licht plötzlich sehr nah, zugleich bremste der Fahrradfahrer, und sie hörte einen Fluch.
    »Mann, das war aber knapp!«
    Es war noch eine recht junge Stimme, die sie da angesprochen hatte. Sie ging auf den Schatten zu und sah einen etwa siebzehnjährigen jungen Mann, der sein Rad mit beiden Händen festhielt.
    Er schaute sie an. Nur für einen winzigen Moment, danach glitt sein Blick tiefer, und mit leiser Stimme fragte er: »Was hast du denn da?«
    »Ein Baby.«
    »Sehe ich. Ist das Lucas?«
    In Wiebkes Kopf schlugen einige Glocken an. Wie es aussah, kannte der Junge das Kind.
    »Ach, du kennst ihn?«
    »Klar.«
    »Woher denn?«
    Er ging auf die Frage nicht ein, sondern wollte wissen, wo Wiebke das Kind gefunden hatte.
    »Das sage ich dir später. Erst will ich mehr über Lucas wissen.«
    Der Junge überlegte. »Du bist nicht von hier!«, stellte er dann fest.
    »Stimmt.«
    »Du kannst das Kind zu seinen Eltern bringen.«
    »Und wo finde ich die?«
    Der Junge schaute sich um, als hätte er Angst davor, belauscht zu werden. Als er sicher war, dass sich niemand in der Nähe aufhielt, sagte er: »Ich bringe dich hin.«
    »Danke, das ist eine gute Idee.«
    »Dann fahre ich vor.« Das tat er nicht, er schob sein Fahrrad, und Wiebke war froh darüber, so etwas wie einen Verbündeten gefunden zu haben. Sie blieb dicht hinter ihm und fragte: »Wie heißt du eigentlich?«
    »Ist das wichtig?«
    »Ich heiße Wiebke.«
    »Komischer Name.«
    »Der stammt aus Deutschland.«
    »Ach so, deshalb sprichst du auch so komisch. Hätte ich mir gleich denken können. Kannst zu mir Mick sagen.«
    »Okay, Mick. Wie weit müssen wir noch laufen? Das Kind wird ziemlich schwer im Laufe der Zeit.«
    Mick blieb stehen. »Du kannst es auf den Gepäckträger setzen und festhalten.«
    »Danke, das werde ich tun.«
    Mick schaute zur Seite. Er zeigte überhaupt kein Interesse an dem Baby.
    Das konnte man von Jungen auch nicht verlangen, aber Wiebke wunderte sich schon darüber, dass er es auch vermied, überhaupt einen Blick auf das Baby zu werfen.
    »He, Mick.«
    »Ist was?«
    »Hat dir das Baby was getan?«
    »Wieso? Warum sollte es?«
    »Weil du gar nicht hinschaust. Du nimmst es nicht zur Kenntnis, das Gefühl habe ich.«
    »Das interessiert mich eben nicht«, erwiderte er gleichgültig. Auch jetzt sah er zur Seite.
    »Hat das Baby dir was getan?«, fragte sie abermals.
    »Nein, verdammt. Komm weiter!«
    Wiebke blieb nichts anderes übrig, als dem Folge zu leisten. Über Micks Verhalten wunderte sie sich schon. Es war so anders. Als hätte er Angst vor dem Baby.
    »Weißt du mehr über das Kind?«
    »Nein.«
    Wiebke lachte. »Das glaube ich doch. Du willst es nur nicht sagen. Irgendwas stimmt hier nicht.«
    »Halt du dich da raus. Gib das Kind ab und fertig. Es wurde geraubt, doch jetzt ist es wieder da.«
    »He, das weißt du also schon, dass es geraubt wurde. Und ich habe es auf dem alten Bahnhof gefunden. Diejenigen, die es geraubt haben, die habe ich nicht gesehen.«
    »Sei froh.«
    »Wie? Kennst du sie?«
    »Halt jetzt deinen Mund, Mensch. Wir sind gleich da.«
    Die freie Strecke lag hinter ihnen. Vor ihnen breiteten sich die Häuser eines Vororts aus. Sie gehörten zu Melrose, einem etwas größeren Ort hier in der Gegend.
    Ein paar wenige Laternen streuten ein blasses Licht in die Dunkelheit. Die Laternen standen nur in den größeren Straßen, in den kleineren breitete sich das Grau der Dunkelheit aus.
    Sie gingen in eine dieser Straßen hinein und danach noch ein paar Meter weiter.
    Mick blieb stehen. »Hier ist es.« Er deutete nach links. »In diesem Haus wohnen die Eltern.«
    »Danke.« Sie lächelte. »Willst du ihnen das Kind übergeben? Ist vielleicht besser, denn dich werden sie kennen.«
    Mick winkte mit beiden Händen ab. »Nein, nein, auf keinen Fall. Das ist deine Sache. Ich habe sowieso schon zu lange getrödelt. Hinter den Fenstern schimmert Licht. Die sind zu Hause.«
    Mehr sagte Mick nicht. Er packte sein Fahrrad, schwang es herum und fuhr schnell weg.
    Wiebke Hiller verstand die Welt nicht mehr. Hier war alles anders. Sie hatte das Kind gefunden, das auf dem Bahnhof gelegen hatte, als
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