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1693 - Letzte Zuflucht: Hölle

1693 - Letzte Zuflucht: Hölle

Titel: 1693 - Letzte Zuflucht: Hölle
Autoren: Jason Dark
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wollte. »Das weiß ich noch nicht«, sagte sie, »ich lasse mich da überraschen.«
    Der Mann überlegte, ob er eine Antwort geben sollte. Er schaute Wiebke vom Kopf bis zu den Füßen an und gab erst wenig später eine Antwort. »Man sagt, dass der Zug, wenn er mal hier auftaucht, in die Hölle fährt.«
    Wiebke wollte lachen. Es misslang. Zwar glaubte sie nicht daran, was der Mann gesagt hatte, aber ein ungutes Gefühl blieb schon zurück. Sie reagierte, als hätte sie die Antwort nicht verstanden. »Haben Sie von der Hölle gesprochen?«
    »Ja, das habe ich.« Durch den gespitzten Mund blies er die Luft aus. »Letzte Zuflucht Hölle. Das habe ich immer gesagt. Und ich bin nicht der Einzige.«
    »Ein Zug, der in die Hölle fährt?«
    »Muss wohl.«
    Wiebke fragte weiter: »Ist er denn leer? Oder gibt es Personen, die in ihm sitzen? Die mit ihm in die Hölle fahren, so wie Sie es gesagt haben.«
    »Das weiß ich nicht. Aber er ist für den Teufel sehr wichtig. So heißt es …«
    Wiebke Hiller wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Auf ihrer Wanderschaft war ihr schon einiges untergekommen. Oft auch skurrile Geschichten, aber dass jemand von einem Zug erzählte, der als Ziel die Hölle hatte, das war ihr neu. Das war auch nicht nachvollziehbar. Komischerweise konnte sie darüber nicht lachen, und auf ihrem nackten Rücken spürte sie ein Kribbeln.
    »Und? Hast du dich entschieden?«
    Die Frage hatte sie aus ihren Gedanken gerissen. Eine schnelle Antwort fiel ihr schwer. Sie war sich noch immer nicht darüber klar, ob sie den alten Mann für normal oder verrückt halten sollte. Okay, sie befand sich in einer einsamen Gegend, wo uralte Geschichten von Generation zu Generation weitergegeben wurden, aber das hier war für sie nicht nachvollziehbar.
    »Ja«, sagte sie, »ich habe mich entschieden.«
    »Wunderbar. Und wofür?«
    »Ich werde zu diesem Bahnhof gehen. Jetzt erst recht, denn ich bin gespannt, ob hier wirklich kein Zug mehr fährt. Wenn nicht, bleibe ich trotzdem und übernachte dort.«
    »Das bleibt dir überlassen. Da kann ich dir nicht hineinreden. Will ich auch nicht.«
    »Danke. Aber wie muss ich gehen?«
    Der alte Mann seufzte. Er schob seine graue Schiebermütze etwas in den Nacken, stand langsam auf und drehte sich um, weil er in die entgegengesetzte Richtung schauen wollte.
    »Siehst du die Anhöhe dort?«
    »Ja, von dort komme ich.«
    »Das ist auch der Damm, auf dem die Schienen verlaufen. Du kannst sie nur nicht sehen, weil das Gras so hoch wächst. Geh einfach in Richtung Osten, dann ist es okay.«
    »Wie weit ist es denn?«
    Der Alte schob die Unterlippe vor. »So genau kann ich es dir nicht sagen. Du musst von einem Kilometer oder etwas mehr ausgehen.« Er nickte. »Ja, das kommt ungefähr hin.«
    »Danke. Dann werde ich mal gehen.«
    Der Alte streckte die Hand nach ihr aus. »Einen Moment noch, Mädchen, ich muss noch etwas tun.«
    »Und was?«
    Er winkte mit dem rechten Zeigefinger. »Komm bitte mal her zu mir.«
    Wiebke überlegte. So ganz geheuer war ihr das nicht. Dann dachte sie daran, dass sie schon einiges hinter sich hatte und alles bisher glatt verlaufen war. Deshalb gab sie sich einen Ruck und trat näher an den Alten heran.
    Und der tat etwas, über das sie sich wunderte. Er hob den rechten Arm an und gab ihr seinen Segen. Wie ein Pfarrer, der in der Kirche vor seiner Gemeinde steht.
    Wiebke Hiller war überrascht. Sie wäre beinahe zurückgewichen, blieb aber stehen und ließ sich segnen. Als der Mann damit fertig war, fragte sie: »Warum tun Sie das?«
    »Ein Segen kann nie schaden«, antwortete er, »besonders dann nicht, wenn man in den Dunstkreis des Teufels gerät. Daran solltest du immer denken.«
    Die Tat und die Worte waren von einem so starken Ernst erfüllt gewesen, dass Wiebke nicht daran dachte, zu lachen oder sich anderweitig über den Mann lustig zu machen. Das hatte schon etwas sehr Ernstes an sich, und sie war davon überzeugt, dass sich der alte Mann keinen Spaß mit ihr erlaubt hatte.
    »So, jetzt kannst du gehen, Fräulein.«
    Wieder hatte sie das Wort gehört. »Warum sagen Sie Fräulein zu mir, Mister?«
    »Weil ich an deiner Sprache höre, dass du aus Deutschland stammst. Dort bin ich auch mal gewesen, aber das ist sehr lange her, und die Zeiten waren mehr als schlecht.«
    »Krieg?«
    »Ja.«
    Wiebke schluckte. »Ich habe davon gehört. Es muss grauenhaft gewesen sein. Ich wünsche mir, dass sich so etwas nicht mehr wiederholt.«
    »Ha, das ist ein frommer
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