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1620 - Vorleser des Teufels

1620 - Vorleser des Teufels

Titel: 1620 - Vorleser des Teufels
Autoren: Jason Dark
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es alt war, und ahnte, dass dieser Inhalt wirklich etwas ganz Besonderes sein musste.
    Sie überwand sich und konnte wieder sprechen.
    »Darf ich denn fragen, wie die Geschichte heißt?«
    Er schüttelte den Kopf und ließ das Buch sinken.
    »Nein, das darfst du nicht. Das kannst du auch nicht, denn es gibt keine Geschichten, wie du es aus den anderen Vorlesestunden kennst. Das ist einfach unmöglich. Es ist die Geschichte einer besonderen Welt, einer anderen Macht, die sich im Verborgenen entwickelt hat und die plötzlich in der Lage ist, Gestalt anzunehmen.«
    »Gestalt?«, flüsterte sie.
    »Ja.«
    »Und wie?«
    Er hob die Schultern und wiegte seinen Kopf. »Ich denke, da solltest du dich überraschen lassen. Ich will nicht zu viel verraten, nur so viel, es ist einmalig.«
    Bei seinen letzten Worten hatte er sie angeschaut. Rita schaffte es nicht, diesem Blick auszuweichen, in ihm steckte etwas Besonderes, das nicht zu erklären war. Genau das galt auch für die Stimme, die sie bald hören und der sie auch verfallen würde. Das kannte sie, aber heute würde es doch etwas anders sein, denn sie war allein und saß nicht mehr in der Gruppe.
    Mit einer schon salbungsvollen Bewegung schlug er das Buch auf. Er brauchte nicht zu blättern, er hatte sofort die richtige Stelle gefunden, die er vorlesen wollte.
    Ein letzter Blick zu Rita Benson.
    Seine Zuhörerin saß jetzt auf dem Bett. Es war ihr kaum aufgefallen, dass sie sich in die Höhe gedrückt hatte, aber so war es besser. Da konnte sie den Vorleser vom Kopf bis zu den Hüften sehen, und sie bemerkte jetzt, dass seine Haut leicht ölig schimmerte. Er musste sich eingerieben haben, allerdings mit einem Öl, das nicht roch.
    »Bereit, Rita?«
    Sie nickte.
    Eine Sekunde später begann Karu mit seiner Lesung…
    ***
    Darauf hatte Rita Benson gewartet. Wäre sie jünger gewesen, hätte sie gesagt, dass es geil war, seine Stimme zu hören, doch diesen Ausdruck fand sie falsch.
    Es war nicht wie bei den anderen Vorlesungen, bei denen sie in den Bann der Stimme geraten war, der die Zuhörer zu einem andächtigen Schweigen gezwungen hatte, nein hier war es ganz anders, denn jetzt las er nur für sie. Es gab keine anderen Menschen, die zugehört hätten.
    Rita wusste nichts mehr. Sie hatte den Eindruck, dass die normalen Gedanken ihr Gehirn verlassen hatten. Ihr Kopf war dennoch nicht leer, denn hier wurde aufgesaugt, was Karu vorlas.
    Er saß sehr aufrecht auf dem Hocker. Das alte Buch hatte er halb erhoben. Er hielt es nicht direkt vor sein Gesicht. Er hatte es ein wenig gesenkt, und die Lippen in dem leicht geöffneten Mund bewegten sich kaum.
    Seine Stimme drang aus den Tiefen seiner Kehle. Sie war so volltönend, so wunderbar, so anders, so glatt und trotzdem nicht fremd. Sie vermittelte eine Botschaft, die Rita in ihren Bann zog, obwohl sie kein Wort verstand.
    Das war ebenfalls ein Phänomen. Bei den normalen Lesungen hatten die Zuhörer alles verstanden. Hier nicht. Hier war alles anders, denn diese Sprache hatte Rita noch nie in ihrem Leben gehört. Es musste eine sein, die nur in bestimmten Gegenden und von bestimmten Menschen gesprochen wurde. Es war für sie auch schwierig, sie einzuschätzen. So blieb ihr nichts anderes übrig, als sich ihr hinzugeben.
    Das tat sie gern. Obwohl sie manchmal den Eindruck hatte, aus den fremden Worten Drohungen herauszuhören, war doch alles irgendwie faszinierend. Wenn sie den Eindruck hatte, von Furcht erfasst zu werden, war dies in den nächsten Sekunden wieder verschwunden, denn dann lullte die Stimme sie wieder ein. Sie wurde sehr weich und schien sie wegtragen zu wollen.
    Rita fühlte sich dann leicht und unbeschwert. Als wäre das Bett nicht mehr vorhanden oder als würde sie über ihm schweben.
    Es war nicht nur faszinierend, sondern auch fantastisch für sie. So musste es sein, wenn man dem Himmel entgegenschwebte und in die Unendlichkeit eintauchte.
    Es war einfach herrlich, und die Gestalt des Vorlesers schien vor Ritas Augen zu verschwimmen. Es waren immer wieder Phasen, in die sie eintrat, bis sie nur noch den Echos lauschte und ihr erst später auffiel, dass Karu gar nicht mehr las. Sie registrierte auch erst jetzt, dass er das Buch hatte sinken lassen und so eine Pause einlegte.
    Für Rita Benson war es, als wäre sie aus einem Traum erwacht. Sie hatte Mühe, sich in der Wirklichkeit zurechtzufinden, und wischte einige Male über ihr Gesicht.
    Karu gab ihr die Zeit. Es blieb bei der Stille im Zimmer. Er sagte kein
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