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1601 - 10. Januar 1200

Titel: 1601 - 10. Januar 1200
Autoren: Unbekannt
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aus der Flasche. „Die Sauferei bringt einen noch um den Verstand", brummte er und schleuderte die Flasche weit von sich.
     
    2.
     
    „Unsere Lage läßt sich einfach genug beschreiben", versicherte Myles Kantor der kleinen Gruppe seiner Zuhörer. „Einer Erklärung widersetzt sie sich jedoch weiterhin hartnäckig."
    Er stand vor einer großen Bildfläche, die eigens für diese Gelegenheit installiert worden war.
    Jetzt trat er zur Seite und betätigte auf einer kleinen Konsole ein paar Schalter. Das Bildfeld wurde hell. Kolonnen von Zahlen und Zeichen erschienen. „Die Rechnungen wurden von einem alten positronischen Computer durchgeführt, den ich im Museumstrakt der Stahlfestung fand", sagte Kantor. „Es steht mittlerweile eindeutig fest, daß syntronische Geräte nicht mehr funktionieren. Ihr seht hier die Ergebnisse mehrerer Messungen der Lichtgeschwindigkeit, die wir in den vergangenen zwanzig Stunden durchgeführt haben. Sie stimmen bis auf Bruchteile von Millimetern pro Sekunde miteinander überein. Die Lichtgeschwindigkeit hat gegenüber dem Wert, der nach unserer Meinung seit dem Anfang aller Zeiten gültig war, um ca. neun Meter abgenommen. Das ist eine winzige Veränderung, weniger als drei Millionstelprozent. Aber es ist nicht die Größe der Änderung, die uns Sorgen bereiten sollte, sondern die Ursache, die ihr zugrunde liegt."
    Jemand im Hintergrund hatte den Arm in die Höhe gestreckt. „Julian, eine Frage?"
    „Die Lichtgeschwindigkeit steht als Naturkonstante nicht allein auf weiter Flur", sagte Julian Tifflor. „Sie steckt in Formeln drin, mit denen andere Konstanten berechnet werden. Mit welchen Folgen - außer der Verringerung der Lichtgeschwindigkeit - haben wir sonst noch zu rechnen?"
    Myles Kantor lächelte. Er war nicht mehr der scheue junge Mann, als den man ihn vor einem Vierteljahrhundert noch gekannt hatte. Er bewegte sich sicher auf seinen Beinen, nachdem die Superintelligenz ES seine körperliche Unversehrtheit wiederhergestellt hatte. Seit jenem Tag im Jahr 1174 war Myles auch Träger eines Zellaktivators. Er wirkte selbstbewußt, ohne jedoch den Eindruck der Unbescheidenheit zu erwecken. „Ich weiß nicht, ob du dich schwerer oder leichter fühlst", sagte er. „Viel macht's nicht aus, aber die Gravitation sollte sich um ein winziges bißchen geändert haben. Auch der Zusammenhang zwischen Entropie und Wahrscheinlichkeit sowie die thermische Energie der Moleküle sind um eine Haaresbreite verrutscht. Und der Energiegehalt der Quanten der elektromagnetischen Strahlung ist nicht mehr derselbe wie früher. Aber das sind alles Dinge, mit denen wir leben könnten, wenn sie nicht der Ausdruck eines weit umfassenderen und einschneidenderen Vorgangs wären, den wir bis jetzt noch nicht verstehen. Denk doch: keine überlichtschnelle Raumfahrt mehr, keine Transmitter, keine Syntrons, kein Hyperfunk. Deswegen sollten wir uns Sorgen machen!"
    Julian Tifflor gab durch einen Wink zu verstehen, daß er keine weiteren Fragen hatte.
    Daraufhin fuhr Myles Kantor fort: „Wir alle haben entweder unmittelbar beobachtet, wie der hyperenergetische Abdruck der Sterne flackerte, oder uns nachträglich die Aufzeichnungen angesehen. Die Daten wurden inzwischen ausgewertet. Was sie uns zu sagen haben, ist überaus verwirrend. Die Sterne, die wir am Firmament über uns sehen, sind hyperenergetisch tot. Es ist gerade so, als hätten sie aufgehört zu existieren. Wir sehen ihr Licht noch, weil Licht sich mit endlicher Geschwindigkeit durch den Raum ausbreitet. Eines Tages werden sie erlöschen. Wir wissen nicht, für wie lange. Wir sind nicht einmal sicher, ob nicht unser ganzes Universum vor ein paar Stunden aufgehört hat zu existieren.
    Einen Effekt haben wir bereits optisch beobachten können. Die Sonne war einhundertfünfzig Mikrosekunden lang verschwunden. Das menschliche Auge konnte sie kaum blinzeln sehen.
    Ebenso war es mit Jupiter, der im Augenblick nahezu ebensoweit von uns entfernt ist wie Sol.
    Eines möchte ich euch allen einhämmern, mit allem Nachdruck, den der liebe Gott meiner Stimme verliehen hat. Wir wissen nicht, was geschehen ist. Es besteht die Möglichkeit, daß wir der größten Katastrophe gegenüberstehen, die das Universum je gesehen hat. Es ist, wie ich schon gesagt habe, denkbar, daß es unser Universum überhaupt nicht mehr gibt. Ich wäre euch dankbar, wenn ihr bei allen Fragen, die ihr jetzt noch zu stellen habt, bei allen Überlegungen, die jetzt noch angestellt werden
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