Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1597 - Abschied von der Unsterblichkei

Titel: 1597 - Abschied von der Unsterblichkei
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
ihren Ausbruch, aber sie sagte kein Wort der Entschuldigung. Ihre Depression war vorbei, im Augenblick konnte sie wieder klar denken. Und sie wußte, daß diese Wohnung zu ihrem Gefängnis werden würde, wenn sie sie nicht ganz schnell verließen.
    Sie reichte ihm die Hand und zog ihn vom Stuhl hoch. Er war wieder in einem Zustand, da sie ihm sagen mußte, war er zu tun hatte.
    Zuerst jammernd, dann wortlos folgte er ihr. Sie trafen auf dem Weg nach unten kaum einen Menschen. In der großen Halle vor dem Ausgang der Wohnanlage standen Männer und Frauen in kleinen Gruppen beisammen und unterhielten sich leise. Andere saßen herum und stierten ins Leere.
    Ein junger Marsianer sprang plötzlich auf, hielt sich schreiend den Schädel und sank in die Knie.
    Niemand kümmerte sich um ihn. Alle hielten sich von ihm fern, als hätte er eine ansteckende Krankheit.
    Auch Noro zog Jeth weiter.
    Endlich draußen nahm sie einen Gleiter, verfrachtete Jeth auf den Nebensitz und gab dem Pikosyn ein Ziel ein, irgendwo im Prydania-Park, wo sie sich Ruhe und Ablenkung versprach.
    Doch bevor der Gleiter den Kurs bestätigte und abhob, sah sie eine junge Frau, die ein seltsames, schlichtes Gewand trug, kaum mehr als ein Tuch. Es war um die Schultern und den Körper gewickelt und reichte bis knapp über die Knöchel.
    Die junge Marsianerin hatte ein hübsches Gesicht, in das nur der schwarze Kreis nicht paßte, den sie sich auf die Stirn gemalt hatte - größer als ein Auge und mitten über der Nasenwurzel.
    Sie sah Noros verwunderten Blick und kam mit einem so traurigen Lächeln zu ihr, wie Noro es noch nie bei einem Menschen gesehen hatte. Jeth hatte schon schlimmer ausgesehen, viel verzweifelter. In der Hoffnungslosigkeit des Blickes schwang bei diesem Mädchen aber auch so etwas wie eine stille Sehnsucht mit, die Vorahnung einer Bestimmung, einer Erlösung.
    Noro sah aus den Augenwinkeln zwei junge Männer hinter dem Mädchen. Sie gehörten offenbar zu ihr, jedenfalls hatten auch sie sich die schwarzen Kreise auf die Stirn gemalt. Und sie waren dabei, auf Antigravplatten montierte Projektoren vor dem Eingang des Wohncenters auszurichten.
    Möglicherweise handelte es sich um Holo-Projektoren. Was hatten sie vor? Für etwas zu demonstrieren? Eine Kundgebung abzuhalten? „Friede sei mit euch, Schwester und Bruder", sagte die Marsianerin zu Noro und Jeth. „Mein Name ist Anna."
    Noro stoppte den Start des Gleiters und erwiderte den Gruß mit den gleichen Worten. „Ihr habt es doch auch schon gespürt, nicht wahr?" fragte die Marsianerin freundlich. „Wir alle haben es gespürt und tun es noch. Es wird immer heftiger werden - das Abbild vom Ende des Raums und der Zeit. Vom Ende allen Seins."
    Jeth begann zu zittern. Noro schob sich ein Stück vor, wie um ihn mit ihrem Körper zu schützen. „Wir haben gespürt, daß es uns ganz verdammt mies ging", nahm sie der Ansprache des Mädchens etwas von ihrer Feierlichkeit.
    Anna hob beschwörend eine Hand. „Es ist erst der Anfang, Schwester. Alles strebt unaufhaltsam dem Ende entgegen. Niemand kann sich ihm entziehen, und wir sollten uns gemeinsam unserem Schicksal stellen, wenn es soweit ist."
    Noro runzelte die Stirn. „Also umbringen."
    Wieder erhielt sie das Lächeln, hinter dem soviel Traurigkeit steckte, daß sie Anna kaum dubiose Motive unterstellen konnte. „Wir sollten gemeinsam den Weg antreten, den wir alle gehen müssen", sagte Anna ruhig. „Überlegt es euch, und wenn ihr meint, daß es so ist, dann findet ihr uns." Sie deutete auf das schwarze Mal auf ihrer Stirn, das wohl jenes alles verschlingende Loch darstellen sollte. „Überall, Schwester und Bruder."
    „Ich glaube nicht, daß wir uns wieder begegnen werden", sagte Noro in plötzlichem Zorn und startete ihren Gleiter.
    Das Mädchen sah ihr nach und lächelte ihr Todeslächeln, bis ihre beiden Begleiter sie riefen. „Wir können anfangen", sagten sie.
    Dann schalteten sie die Projektoren ein, und über ihnen, fünf Meter hoch in der Luft, bildete sich eine doppelt mannsgroße Schrift, die in etwa das verkündete, was Anna vor wenigen Augenblicken zu Noro gesagt hatte.
    Jeder, der aus der Wohnanlage kam oder sie betrat, mußte sie lesen. „Sektierer!" ereiferte sich Noro, als sie über den Park flogen. „Verrückte, die nur darauf gewartet haben, endlich einmal so richtig leiden zu können. Und jetzt gefallen sie sich als Apostel des Letzten Tages und nutzen die Phänomene aus, um ..."
    Sie brach ab. Ihre Hände
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher