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1583 - Das Mädchen und der Nakk

Titel: 1583 - Das Mädchen und der Nakk
Autoren: Unbekannt
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Tür versperrt war.
    Es schien, als seien manche Türen, die Anjannin Tish im Traum öffnete, wirkliche Türen, die auf irgendeine Weise auch in der Realität funktionierten.
    Und so konnte es geschehen, daß Anjannin unversehens an Orten aufwachte, an denen sie sich beim Einschlafen noch nicht befunden hatte: auf dem Dachboden, draußen auf dem Feld, hinter den duftenden Gewürzballen im Lagerhaus oder an irgendeinem anderen Ort.
    Einmal war sie sogar in Nobim City aufgewacht, direkt neben der Funkstation auf dem Hanse-Gelände.
    Es war sehr schwierig gewesen, sich aus dieser Sache herauszureden. Anjannin hatte sich eine äußerst komplizierte Geschichte ausdenken müssen, um zu erklären, warum sie von zu Hause ausgerissen war und wie sie es geschafft hatte, in die Hauptstadt zu gelangen.
    Trotzdem hatte man ihr nicht geglaubt.
    In ihrer Not hatte sie schließlich die Wahrheit gesagt: „Ich habe geträumt, und plötzlich war ich dort."
    Das hatte ihr mehrere Gespräche mit Ärzten und Psychologen eingebracht.
    Zuerst war sie ganz entsetzt gewesen: Sie hatte geglaubt, daß diese Leute Verdacht geschöpft hatten.
    Daß sie Anjannin durchschaut hatten.
    Daß diese Ärzte und Psychologen wußten, daß Anjannin anders war.
    Dann hatte sie gemerkt, daß diese Leute gar nichts wußten. Sie hegten auch keinen Verdacht.
    Sie hielten Anjannin für versponnen und ein bißchen verrückt. Sie glaubten, daß das Mädchen nicht imstande sei, zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden.
    Und das war alles.
    Wenn man einmal von der Tatsache absah, daß sowohl die Ärzte als auch die Psychologen Anjannins Eltern einstimmig davor warnten, die ganze Sache auf sich beruhen zu lassen. „Anjannins Lügengeschichten sind Hilfeschreie", sagten sie. „Irgend etwas ist nicht in Ordnung, und wir müssen herausbekommen, worum es sich dabei handelt. Wenn uns das nicht gelingt, wird es in ein paar Jahren noch viel schlimmer mit ihr werden."
    Damals war Anjannin Tish neun Jahre alt gewesen. Jetzt war sie dreizehn. In diesen vier Jahren hatte sie von all den Ärzten und Psychologen, zu denen man sie schickte, das Lügen gelernt.
    Besser gesagt: nicht das Lügen, sondern das Verschleiern von Tatsachen.
    Diese Verschleierungstaktik lief darauf hinaus, daß Anjannin strikt die Wahrheit sagte.
    Aber immer nur einen Teil davon.
    Und den Rest behielt sie für sich. „Ich habe geträumt", sagte sie, wenn man sie fragte, warum sie schon wieder weggelaufen war, und dann wiederholte sie diese Antwort so lange, bis man aufhörte, ihr weitere Fragen zu stellen.
    Seltsamerweise funktionierte das. Es waren auch alle damit zufrieden.
    Vor allem Anjannin selbst.
    Sie galt als nicht besonders klug. Wahrscheinlich war sie es auch nicht.
    Ihre einzige Begabung bestand darin, daß sie imstande war, diese seltsamen Traumtüren zu finden und zu öffnen.
    Das hätte vielleicht eine sehr große und bedeutsame Begabung sein können, denn es war ja offensichtlich etwas, das nicht jeder tun konnte.
    Manchmal malte Anjannin Tish sich in ihren Tagträumen eine Welt aus, in der sie keine Angst zu haben brauchte, wenn sie eine ihrer Traumtüren öffnete.
    Eine Welt, in der es besondere Schulen für Menschen wie Anjannin Tish gab.
    Schulen mit Lehrern, die selbst auch imstande waren, in die Traumwelt hinüberzugehen, um ihren Schülern dort an Ort und Stelle die Unterschiede zwischen den guten und den schlechten Türen zu erklären.
    Anjannin stellte sich vor, daß sie die beste unter den Schülern sei, der Star der ganzen Schule, bewundert und geliebt auf dem Planeten Nobim und auch noch weit über die Grenzen dieses Sonnensystems hinaus.
    Sie träumte davon, daß die wichtigsten Persönlichkeiten des Galaktikums nach Nobim kamen, um Anjannin Tish um Hilfe zu bitten. „Geh durch eine Traumtür und erledige dies und jenes", würden sie sagen. „Nur du kannst das tun. Wir werden dich gut dafür bezahlen. Möchtest du uns nicht begleiten? Es wäre schön, wenn wir dich bei uns hätten!"
    Aber dann dachte Anjannin Tish an den einäugigen Varhas, und bei der Erinnerung daran, was man mit ihm gemacht hatte, vergingen dem Mädchen alle Träumereien.
    Abgesehen davon hatte sie eine amtliche Bestätigung dafür, daß sie tatsächlich nichts Besonderes darstellte. „Sie hat keine Psi-Fähigkeiten", hatte man ihren Eltern nach einer Reihe von Tests mitgeteilt. „Und auch sonst ist alles mit ihr in Ordnung. Kein Grund zur Besorgnis."
    Die Reaktion ihrer Eltern auf diese
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