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1583 - Das Mädchen und der Nakk

Titel: 1583 - Das Mädchen und der Nakk
Autoren: Unbekannt
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so etwas tun?
    Vielleicht sieht es nur so aus wie ein Tor, überlegte sie. Vielleicht ist es in Wirklichkeit etwas ganz anderes.
    Aber was immer es auch sein mochte: Anjannin Tish wollte es gar nicht erst näher kennenlernen.
    Sie wollte hinaus aus diesem Traum.
    Sofort!
    Statt dessen kam Sturm auf.
    Es war ein merkwürdiger Sturm. Einer, der aus der Erde hervorgebrochen kam und Anjannin in den Himmel zu heben drohte. Die orchideenhaften Gewächse in den Baumkronen schüttelten ihr Blattgefieder wie richtige Vögel. Sie wandten sich Anjannin zu, starrten mit glühenden Augen auf sie herab und krächzten mißtönend, während sie ihre schuppigen Wurzelfüße von den Zweigen lösten. „Laßt mich in Ruhe!" schrie Anjannin zu ihnen hinauf.
    Aber da kamen sie auch schon im Sturzflug herabgeschossen. Die bunten Blütenschnäbel waren weit geöffnet.
    Anjannin erkannte blutrote Zungen und blitzende Zähne im Innern dieser Schnäbel.
    Sie duckte sich in den Schutz tief herabhängender Zweige.
    Das war ein Fehler.
    Um Anjannin herum knallte und krachte es. Die Pilze zwischen den Wurzeln der Bäume hatten sich in lauter kleine, kugelrunde Kanonen verwandelt.
    Diese kleinen Kanonen feuerten aus allen Rohren.
    Anjannin floh und warf sich gegen das Tor.
    Das Tor öffnete sich.
    Hinter dem Tor erstreckte sich eine lange, breite Straße. Seltsame Dinger, die aussahen, als hätte man sie aus bunten Glaskugeln zusammengesetzt, schwebten auf dieser Straße umher, kreuzten majestätisch dicht über dem spiegelblanken Boden dahin und rasten dann plötzlich mit ungeheurem Tempo auf und davon.
    Rechts und links neben der Straße wallte ein eigenartiger, leuchtender Nebel.
    Die Straße führte wie ein Tunnel durch den Nebel hindurch. In diesem Nebel bewegte sich etwas, aber es war nicht zu erkennen, wer oder was diese Bewegungen verursachte.
    Anjannin Tish hielt den Atem an und starrte regungslos auf das Bild, das sich ihr darbot. Sie fragte sich, wohin diese Straße wohl führen mochte.
    Dies war ganz bestimmt kein Weg auf den Dachboden hinauf und auch keiner nach Nobim City.
    Angst erfaßte Anjannin Tish. Sie wollte sich umdrehen und fliehen, aber das ging nicht, denn hinter ihr tobten die verrückten Pflanzenvögel herum.
    Sie blickte auf die seltsame Straße.
    In weiter Ferne glaubte sie etwas erkennen zu können: das Ende dieses Weges. Und dieses Ende schien nichts anderes als ein gigantisches schwarzes Nichts zu sein.
    Diesen Weg, dachte Anjannin Tish, darf ich nicht betreten. Niemals.
    Und dabei verspürte sie eine Furcht, die schlimmer war als alles andere, was sie je zuvor gefühlt hatte.
    Nicht einmal damals, als die Männer den einäugigen Varhas aufgehängt hatten, hatte sie sich so sehr gefürchtet.
    Anjannin Tish kam zu dem Schluß, daß die Straße hinter dem Traumtor noch viel schlimmer als der Alptraum war, der auf der anderen Seite lauerte.
    Sie wandte sich zur Flucht.
    Aber da war nichts mehr, wohin sie hätte fliehen können.
    Der Wald war weg. An seine Stelle war eine seltsame durchsichtige Finsternis getreten, die von allerlei Bewegungen und Geräuschen erfüllt war: vom Flattern gigantischer Flügel, vom Schnappen riesiger Schnäbel, von krachenden Donnerschlägen und fauchenden Sturmböen.
    Da war kein Weg mehr, kein Fußbreit Boden. Nur dieses grausige Nichts. „Bitte, bitte, ich will aufwachen!" schrie Anjannin Tish in heller Panik.
    Aus dem Nebel hinter dem Tor drang eine Stimme, und diese Stimme sagte: „Das darfst du nicht."
    Anjannin Tish war wie erstarrt.
    Nur ein einziges Mal war sie jenseits einer Traumtür jemandem begegnet, der zu ihr gesprochen hatte.
    Damals war es der einäugige Varhas gewesen.
    Und unmittelbar danach hatte man Varhas umgebracht.
    Das war Jahre her, aber Anjannin wurde den Verdacht nicht los, daß sie etwas mit dem Tod des einäugigen Varhas zu tun gehabt hatte.
    Sie war ihm in einem ihrer Träume begegnet. Er hatte sie angesprochen.
    Anjannin hatte bereits geglaubt, daß so etwas nie wieder geschehen könne.
    Die Traumwelten hinter den Türen gehörten ihr allein. Niemand außer ihr hatte Zutritt zu dieser Welt jenseits der Wirklichkeit.
    Und so sollte es für immer bleiben.
    Den einäugigen Varhas hatte sie weggeschickt. Das war ganz einfach gewesen: Sie hatte ihm einfach einen Stoß gegeben, und er war verschwunden. Sie hatte nicht einmal eine Tür öffnen müssen.
    Noch heute fragte sie sich bisweilen, ob sie damals nicht einen großen Fehler begangen hatte.
    Trotzdem - wer
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