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1578 - Geschäfte mit dem Frieden

Titel: 1578 - Geschäfte mit dem Frieden
Autoren: Unbekannt
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Vaccers letztem Besuch auf Taumond, in die fixe Idee verrannt, daß sie alle drauf und dran waren, gegen sämtliche Regeln zu verstoßen und die Grundlagen der linguidischen Philosophie mit Füßen zu treten?
    Aber vielleicht - hoffentlich - war die Erklärung für all die Ungereimtheiten ja auch viel einfacher. „Vielleicht hatte Garyo erkannt, daß es um seinen Sohn nicht zum besten stand. Möglicherweise hatte er Dorina Vaccers Aufmerksamkeit nur aus diesem einen Grund auf Hennok gelenkt: Damit sie ihm half.
    Und sie würde ihm helfen.
    Für einen Augenblick spielte sie mit dem Gedanken, zuerst Cappla Desden abzusetzen, aber sie entschied sich dagegen.
    Sollte sie ruhig zusehen. Es würde lehrreich für sie sein.
    Dorina Vaccer begann ein Gespräch, in dessen Verlauf sie Hennoks Probleme analysierte. Dann machte sie sich daran, diese Probleme zu beseitigen.
    Und die ganze Zeit hindurch fürchtete sie sich davor, daß sie auf eine falsche Kette stoßen könnte.
    Eine falsche Kette ganz besonderer Art.
    Aber da war nichts.
    Natürlich nicht: Garyo Kaymar hatte selbstverständlich niemals den Versuch unternommen, Hennok absichtlich gegen die Friedensstifter einzustimmen.
    Aber war das wirklich so selbstverständlich, wie sie es sich einzureden versuchte?
    Wenn Garyo mich jetzt beobachten könnte, würde er meine Reaktion wahrscheinlich für den Beweis dafür ansehen, daß er recht hatte, dachte Dorina Vaccer mit einem guten Schuß Selbstironie.
    Garyo schien sich gegen Ende seines Lebens fast nur noch mit den Friedensstiftern beschäftigt zu haben. Er hatte verbissen nach einer Möglichkeit gesucht, wenigstens Dorina Vaccer über die seiner Meinung nach drohenden Gefahren aufzuklären.
    Offenbar hatte er jedoch keine rechten Beweise gefunden.
    Leider hatte er daraus nicht den naheliegenden Schluß gezogen, daß er selbst sich irrte und es die von ihm heraufbeschworenen Gefahren gar nicht gab.
    Seine Verbitterung hatte sich auf Hennok übertragen. Am Ende war er dann nicht mehr imstande gewesen, für den nötigen Ausgleich zu sorgen. Dorina Vaccer holte Garyos Versäumnisse nach. „Lebe in Frieden, Hennok!" sagte sie schließlich. „Behalte deinen Vater in guter Erinnerung."
    Für einen Augenblick verspürte sie die Versuchung, einen Befehl hinzuzufügen: Vergiß, was Garyo über diesen angeblichen Bann gesagt hat.
    Vergiß alles, was damit zusammenhängt. Streiche all dies aus deinem Gedächtnis!
    Sie hätte es tun können. Wenn sie es gewollt hätte, wäre Hennok bis an sein Lebensende nicht mehr imstande gewesen, sich an etwas zu erinnern, das Dorina Vaccer ihm einmal auf eine ganz bestimmte Weise ausgeredet hatte. Garyo Kaymar selbst hatte die Friedensstifterin gelehrt, wie man so etwas bewerkstelligte.
    Aber es war ein gefährliches Spiel.
    Es war die Umkehrung dessen, was für jeden talentierten Linguiden aus gutem Grund als oberstes Gesetz zu gelten hatte: Meide falsche Ketten!
    Als „falsche Ketten" bezeichnete man eine bestimmte Art von Assoziationen.
    Die Assoziationen verbanden die einzelnen Begriffe des jeweiligen Weltbilds eines Wesens miteinander und bildeten somit die Basis aller Denkprozesse. ,>, ... rDie meisten Assoziationen waren flexibel. Ein Hammer zum Beispiel konnte für jedes normale Wesen sowohl mit dem positiven Begriff des Aufbauens als auch mit dem negativen Pendant des Zerstörens in Verbindung gebracht werden.
    Ebensogut konnten Teile dieser Assoziationen bei Bedarf wiederum gegeneinander ausgetauscht werden: Nicht immer weckte das, was aufgebaut wurde, ausschließlich positive Gefühle, und nicht jede Art von Zerstörung war automatisch mit negativen Symbolen zu belegen.
    Bei einer falschen Kette war ein solcher Austausch nicht möglich, denn eine falsche Kette bestand aus festgelegten Assoziationen, die unverrückbar an ganz bestimmte Facetten einzelner Begriffe gebunden waren. Auf diese Weise entstanden zwanghaft ablaufende Denkprozesse - zum Beispiel eine Verkettung der Begriffe Hammer - Zerstörung - Mord.
    Eine falsche Kette konnte zwei oder drei, ebensogut aber auch Hunderte von Begriffen umfassen.
    Meistens waren nur wenige Bestandteile einer solchen Kette im voraus zu erkennen. Den Rest erfuhr man erst dann, wenn man die Kette in Bewegung setzte.
    Berührte man einen Bestandteil einer falschen Kette - zum Beispiel um eine Assoziation zu verändern -, dann zog man automatisch den gesamten Komplex hinterher. Das hatte fatale Folgen für jenes Wesen, in dessen Verstand sich die
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