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1578 - Geschäfte mit dem Frieden

Titel: 1578 - Geschäfte mit dem Frieden
Autoren: Unbekannt
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merken würdest."
    Also war es tatsächlich Absicht gewesen. Garyo hatte sich das alles vorher zurechtgelegt und ausgerechnet.
    Aber warum?
    Um Dorina Vaccer wegen ihres scheinbaren Mangels an Interesse am Schicksal ihres ersten Lehrers zu bestrafen?
    Das war undenkbar. So etwas paßte nicht zu Garyo.
    Wahrscheinlich hatte er die Absicht gehegt, sie mittels der barbarischen Zeremonie zu schockieren - was ihm gelungen war - und nachdenklich zu machen, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre. „Hat er oft von mir gesprochen?" fragte sie. „Sehr oft", erwiderte Hennok.
    Dorina Vaccer sah sich nachdenklich um. Sie stellte fest, daß die anderen bereits auf dem Weg in die Stadt waren.
    Sie war mit Hennok allein, wenn man einmal von Cappla absah, die fröstelnd unter den Bäumen stand. „War Garyo sehr verbittert?" fragte Dorina Vaccer behutsam und richtete es so ein, daß Hennok die Frage als tröstlich und teilnahmsvoll empfand. „Ja", sagte Garyos Sohn so dankbar, als hätte Dorina Vaccer ihm eine große Last von der Seele genommen. „Ja, das war er.
    Aber nicht deinetwegen. Ganz im Gegenteil. Er glaubte fest daran, daß gerade du imstande sein wirst, den Bann zu brechen."
    Dorina Vaccer sah sich kurz nach Cappla um.
    Ihr war klar, daß ihre Schülerin dieses Gespräch mit großem Interesse verfolgte. Capplas Hörvermögen war ganz ausgezeichnet. „Welchen Bann?" fragte die Friedensstifterin gedehnt. „Den der Macht. Der Verblendung. Der Selbstüberschätzung.
    Du solltest nicht nur den Fayum auf dem grauen Tuch zerschlagen, sondern auch das enge Gefäß, das man über deinen Geist gestülpt hat."
    Eine heftige Böe wirbelte welke Blätter durch die Luft. Ein Graupelschauer prasselte herab. „Mehr hat er nicht gesagt!" rief Hennok der Friedensstifterin zu und rannte zum Gleiter.
    Dorina Vaccer folgte ihm. Cappla lief ihr bereits voraus. „Hat er noch mit anderen über dieses Thema gesprochen?" fragte Dorina Vaccer, als sie sich alle drei im Innern des Fahrzeugs in Sicherheit gebracht hatten. „Das glaube ich kaum", erwiderte Hennok nüchtern. „Er war zuletzt nicht mehr sehr mitteilsam. Außerdem hätte ihm sowieso keiner zugehört."
    Das klang bitter. Aber andererseits war Garyo selbst nicht ganz schuldlos daran gewesen.
    Vor den Linguiden lag eine große, glänzende Zukunft. Wer hatte schon Lust, sich von einem rapide alternden Schlichter, der offenbar nicht mehr bei vollem Verstand war, düstere Schatten in dieses Bild hineinreden zu lassen? „Es tut mir leid!" sagte Dorina Vaccer trotzdem, denn es wäre ungerecht gewesen, Hennok für den Pessimismus seines Vaters büßen zu lassen.
    Nach kurzem Überlegen fügte sie hinzu: „Er war mein Meister. Ich habe ihn sehr verehrt. Er war für mich wichtiger als mein eigener Vater. Denke nichts Schlechtes über ihn. Das hat er nicht verdient."
    Hennok besaß nicht den geringsten Funken von Talent. Er ließ sich sehr leicht überzeugen.
    Und das hat Garyo natürlich auch gewußt! dachte Dorina Vaccer.
    Ihr war klar, daß der Schlichter dieses Gespräch provoziert hatte.
    Was hatte er sich davon erwartet oder erhofft?
    Sie wußte es nicht. Aber sie erinnerte sich noch sehr deutlich daran, daß er sich bei ihrem letzten Gespräch in düsteren Warnungen ergangen hatte.
    Auch Hennoks Äußerungen deuteten in diese Richtung. „Wie denkst du über uns Friedensstifter?" fragte Dorina Vaccer aus d',?sem Gedanken heraus. „Ich habe mir noch nie über euch den Kopf zerbrochen!" erwiderte Hennok schroff. „Ich habe genug damit zu tun, mein eigenes Leben zu meistern."
    Dorina Vaccer erkannte bestürzt, daß Hennok völlig aus dem Gleichgewicht geraten war. Es schien, als hätte Garyo, der so vielen Linguiden ein guter Schlichter gewesen war, am Ende nicht einmal mehr genug Kraft gehabt, um seinem eigenen Sohn zu helfen.
    Vielleicht war er aber auch nur an dem Versuch gescheitert, Hennok zu beeinflussen und ihn zu einem Gegner der neuen Allianz zwischen den Friedensstiftern und der Superintelligenz zu machen.
    Dieser Gedanke war ungeheuerlich. Dorina Vaccer wies ihn hastig von sich.
    Sie war entsetzt über sich selbst.
    Wie konnte sie es wagen, ihrem ehemaligen Lehrer ein derartiges Fehlverhalten zu unterstellen?
    Und doch: War es nicht ganz offensichtlich, daß Garyo Kaymar sich schon von Anfang an gegen die Idee gesträubt hatte, daß die Friedensstifter eine Aufgabe von kosmischer Bedeutung übernehmen sollten?
    Hatte der Schlichter sich nicht schon damals, bei Dorina
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