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1564 - Wenn die Toten sprechen

1564 - Wenn die Toten sprechen

Titel: 1564 - Wenn die Toten sprechen
Autoren: Jason Dark
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alles begonnen hatte.
    Da hatte sie die Stimmen gehört.
    Stimmen, die nicht von dieser Welt waren.
    Ein geheimnisvolles Flüstern und Raunen, das von überall her zu kommen schien, tatsächlich aber seinen Ursprung in der Tiefe der Erde hatte, sodass sie davon ausging, dass die Toten mir ihr sprachen.
    Ja, sie waren es, daran gab es für sie keinen Zweifel. Sie lagen tief in ihren Gräbern. Sie waren schon vor langer Zeit gestorben, sie waren längst vergessen, denn es gab keine Angehörigen mehr, die ihre Gräber besuchten.
    Aber ihre Geister, ihre Seelen - oder was immer es auch sein mochte waren noch vorhanden. Und sie konnten sich melden, zumindest bei Maria, die ihre Stimmen hörte.
    Sie wusste auch, wer hier begraben lag. Dazu brauchte sie nicht die Schriften auf den alten Steinen zu studieren, sie hörte das Seufzen, das Ächzen, die Stimmen.
    Frauen, Männer und auch Kinder lagen hier begraben, und immer wenn sie sich einem der Grabsteine näherte, da vernahm sie eine Stimme.
    Es war fast immer eine andere.
    Zuerst hatte sie sich gefürchtet, aber im Laufe der Zeit hatte sich Maria an die Botschaften gewöhnt, die gleich blieben.
    Sie wusste genau, wer sie erwartete, denn es war für sie wie eine Begrüßung.
    Das war auch an diesem frühen Morgen nicht anders.
    Als sie den ersten Stein passierte, da erklang wieder das Wimmern in ihren Ohren, und eine geisterhafte Stimme sprach davon, dass sie nicht sterben wollte.
    Der Mann musste den Weg trotzdem gehen.
    Jedes Mal hörte sie den gleichen Satz, und so war es auch bei allen anderen Gräbern.
    »Licht, ich sehe Licht…«
    »Nimm mich in deine Arme…«
    »O nein, es tut so weh. Ich will nicht…«
    »Bitte, Mummy, es ist so kalt. Kannst du mich nicht wärmen? Mummy, ich muss gehen…«
    Es war besonders schlimm für Maria, wenn sie die Stimme eines Kindes hörte. Aber der Tod kannte kein Erbarmen. Er holte jeden, den er wollte und der reif genug war.
    Maria konnte nicht weglaufen. Sie musste immer wieder auf diesen Friedhof gehen und den geheimnisvollen Wisperstimmen zuhören, die der Wind an ihre Ohren zu tragen schien.
    Wieder näherte sie sich einem Grabstein. Er war recht hoch. In ihn waren Sätze in einer fremden Sprache eingemeißelt. Auch da hörte sie eine Stimme und die letzten Gedanken, die den Mann vor seinem Tod beschäftigt hatten.
    Sie verstand nichts. Aber sie hörte durchaus den Hass heraus, obwohl die Worte nur geflüstert waren. Unter diesem Stein lag ein böser Mensch begraben, und auch die Gedanken des letzten Toten, den sie gehört hatte, waren nicht von Freude erfüllt gewesen.
    Er hatte daran gedacht, wo sein Opfer steckte, das von ihm entführt worden war. Und es war wie ein Zwang gewesen, es gedanklich mitteilen zu müssen.
    Da hatte sich Maria genau am richtigen Ort befunden. Und so musste sie sich mit einem zweiten Phänomen beschäftigen, denn sie wusste nicht, wie sie zu diesem Ort gelangt war. Sie war damit völlig überfordert gewesen, sie war einfach da gewesen in der kleinen Wohnung. Es hatte eine Kraft gegeben, die sie an den bestimmten Ort transportiert hatte.
    Ein Phänomen, das nur für sie galt.
    Es war eine andere Macht, der sie gehorchen musste. Sie war ihr Untertan. Maria kannte sie auch nicht, aber sie ließ sich von ihr führen.
    Woher sie kam, wusste Maria nicht. Aus einer anderen Sphäre, aus einer Welt, die für Menschen nicht einsehbar war, aber für sie, denn sie bekam Kontakt.
    Es musste etwas mit den Toten und deren Stimmen zu tun haben.
    Sie war für so viele Dinge offen, und sie hatte allmählich das Gefühl, dass man sie für eine besondere Aufgabe benötigte. Menschen beschützen, sie vor dem Tod retten, sie warnen, und genau das war ihr eingegeben worden.
    Wie bei Lilian Portman.
    Da war sie genau an den richtigen Ort gebracht worden, und so hatte sie die letzten Gedanken des Entführers aufnehmen können.
    Maria lächelte, als sie daran dachte. Das Lächeln machte ihr Gesicht noch weicher. Man konnte es auch als madonnenhaft bezeichnen.
    Sie fühlte sich wohl, wenn sie helfen konnte, denn dazu war sie hier. Sie musste noch vieles erledigen, denn ihr Dasein war nicht einfach.
    Menschen retten, sie vor etwas Schlimmem bewahren, das war ihr wichtig, und so würde sie weitermachen wie ein Schutzengel.
    Maria durchstreifte weiterhin den Friedhofspark. Sie näherte sich einer Gruft, in der mehrere Tote lagen. Sie waren nicht normal gestorben, sondern in einem schrecklichen Feuer auf einem Schiff verbrannt.
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