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155 - Kriminalfall Kaprun

155 - Kriminalfall Kaprun

Titel: 155 - Kriminalfall Kaprun
Autoren: Uhl Hannes
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Gutachter, bleibt dran. Er hat Unterstützung bekommen von Bernhard Schrettenbrunner, einem Geschäftspartner, der das Studium der Physikalischen Chemie mit dem Doktorat abgeschlossen hat. Der 1962 geborene Deutsche arbeitet als Unternehmensberater für Versicherungen und für die Autoindustrie. Auch er kann nicht fassen, über welche wesentlichen Fakten sich die Gutachter und Ermittler im österreichischen Gerichtsprozess hinweggesetzt haben. Ebenso akribisch wie Keim wühlt er einige Monate lang im Aktenberg, den die Kaprun-Katastrophe hinterlassen hat.
    Keims zweites Gutachten hat den Arbeitstitel »Veränderung der Brand-Sicherheits-Konzeption der Standseilbahn Kaprun durch nachträglichen Einbau von Kunststoff-Heizlüftern in die Waggons ›Kitzsteingams‹ und ›Gletscherdrache‹«. Keim und Schrettenbrunner sind mittlerweile überzeugt, dass die im Kaprun-Prozesspräsentierten Gutachten Gefälligkeitsgutachten waren. Die Ergebnisse aus Heilbronn sind in Wien aber weiterhin kein Thema. Eine Wiederaufnahme kommt nur infrage, wenn sich neue Tatsachen und Beweismittel ergeben, heißt es wiederholt aus dem Justizministerium. Dies sei nicht der Fall. Also erstatten Keim und Schrettenbrunner im April 2008 Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Salzburg gegen die vier österreichischen Gutachter »wegen des Verdachtes der Korruption und der vorsätzlichen Strafvereitelung«.
    Die Sachverständigen kommen nicht zu ihrer ursprünglich bei der Staatsanwaltschaft Salzburg festgesetzten Einvernahme und werfen Staatsanwältin Danninger-Soriat Befangenheit vor. Das taktische Spiel geht auf. Die gesamte Staatsanwaltschaft Salzburg wird in der Causa für befangen erklärt, die Anzeige wandert zur Staatsanwaltschaft in Linz. Dort erscheinen nun die Gutachter nacheinander zur Vernehmung. Es ist Sommer 2009, fast neun Jahre sind seit der Katastrophe vergangen.
    Der auf Anton Muhr nachgefolgte Hauptgutachter erzählt ausführlich von seiner Gutachterbestellung. Jener Gutachter, der den entscheidenden Konstruktions- und Produktionsfehler am Heizlüfter festgestellt hat, räumt in seiner Vernehmung ein, als »Sachverständiger für Materialprüfung für Metalle« eingetragen zu sein. Er sei aber »habilitierter Universitätsprofessor für Werkstoffprüfung« und verfüge deshalb auch »über die notwendigen Kenntnisse betreffend Kunststoffe.« Auf die Frage, ob er die Gutachten der deutschen Ermittler kenne, sagt er: »Ich möchte hier anmerken, dass ich aus gesundheitlichen Gründen seit elf Jahren erhebliche Schwierigkeiten habe zu lesen (…). Natürlich kann ich lesen, ich brauche dafür jedoch relativ lang.« Wie der Mann trotz Sehbehinderung mikroskopische Untersuchungen am Heizlüfter vornehmen konnte, lässt der befragende Staatsanwalt offen.
    Wird den Gutachtern vorgehalten, dass durch die Einbausituation des Heizlüfters alle Prüfzeichen verloren gehen, haben sie darauf eine einfache Antwort. Es handle sich bei der Frage um »eineRechtsfrage, die vom Sachverständigen nicht zu beantworten ist und ich dazu auch nicht gefragt wurde.« Und ferner: »Aus technischer Sicht bin ich aber nach wie vor der Überzeugung, dass es sich beim Einbau des Heizlüfters um keine konstruktive Änderung des Gerätes handelte (…). Ergänzend möchte ich angeben, dass weder aus meiner Sicht, noch aus Sicht meiner Sachverständigen-Kollegen eine problematische Einbausituation vorlag.«
    Die vier Sachverständigen haben sich auch unter Kollegen umgehört, erzählen sie unisono. »Dabei konnte mir niemand die Frage beantworten, ob durch einen solchen Einbau (…) Prüfzeichen verloren gehen«, sagen sie. »Auch ich könnte das bis heute nicht beantworten.«
    Die Staatsanwaltschaft Linz stellt das Verfahren im November 2009 ein. Die österreichischen Sachverständigen, deren Gerichtsgutachten von der deutschen Staatsanwaltschaft und Experten wie Keim und Schrettenbrunner als falsch deklariert wurden, sind unschuldig, erkennt das Gericht. Sie haben richtig und entsprechend ihrer Verantwortung gehandelt. Sie haben weder einen falschen Befund noch ein falsches Gutachten erstellt.
    Ein Rückschlag für die Stuttgarter Techniker, der sie aber nicht überrascht. Die österreichische Justiz hält die Reihen noch immer dicht geschlossen, denken sie. Der Kaprun-Akt wird nicht mehr aufgemacht, das schien schon nach dem ersten Urteilsspruch 2004 festzustehen und gilt bis heute.
    Bereits im Herbst 2008 gründen Keim und Schrettenbrunner den Verein
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