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155 - Kriminalfall Kaprun

155 - Kriminalfall Kaprun

Titel: 155 - Kriminalfall Kaprun
Autoren: Uhl Hannes
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Behauptungen, die vier in die Gletscherbahn eingebauten Heizlüfter wären ohne Verpackung und ohne Bedienungsanleitung angekommen. Wie sie bei Fakir feststellen, versiegelt die Firma die Packungen erst dann, wenn Garantieunterlagen und Bedienungsanleitung vollständig enthalten sind.
    Die Staatsanwaltschaft Heilbronn stellt die mit großem Aufwand und Akribie durchgeführten Ermittlungen gegen die Fakir-Mitarbeiter im September 2007 ein. Die Bilanz ist für die österreichische Justiz vernichtend. »Das Ergebnis dieser Ermittlungen unterscheidet sich in wesentlichen Punkten vom Ergebnis des österreichischen Strafverfahrens«, heißt es im Endbericht.
    Zudem heißt es dort wörtlich: »Als Ergebnis der Ermittlungen lässt sich feststellen, dass sich das Unglück am 11.11.2000 hätte vermeiden lassen können, wenn (…) fahrzeuggeeignete Heizlüfter eingebaut worden wären, die es auf dem Markt gab. (…) Die Firma Fakir und die Zulieferfirmen haben den Heizlüfter nicht für den Einbau in Fahrzeuge entwickelt beziehungsweise produziert und niemand der beschuldigen Personen konnte wissen,
    • dass ein Einbau in die Seilbahn geplant war
    • dass der Heizlüfter zum Einbau konstruktiv verändert wurde
    • dass durch diese Änderung der Tropfwasserschutz aufgehoben wurde
    • dass der Anschluss an das Stromnetz in bedenklicher Weise erfolgte und
    • dass unmittelbar hinter dem Heizlüfter Hydraulikmessleitungen verlegt wurden.
    Den von der Gletscherbahnen Kaprun AG in Deutschland Beschuldigten kann weder bezüglich der Brandentstehung noch wegendes Verlaufs der Brandkatastrophe und dem damit verbundenen Tod von 155 Personen irgendein Vorwurf gemacht werden.« Dabei hatte Richter Seiss in seinem Urteil festgehalten: »Bei gesetzes- und normkonformem Verhalten der Firma Fakir wäre das Unglück nicht geschehen.«
    Als der 54 Seiten umfassende Ermittlungsbericht der Staatsanwaltschaft Heilbronn in Österreich ankommt, wird er beharrlich verschwiegen. Eigentlich wäre er Grundlage für ein Wiederaufnahmeverfahren. Dennoch werden die deutschen Ermittlungsergebnisse ignoriert. Wäre die deutsche Schuld bewiesen worden, hätte vermutlich eine Pressekonferenz die nächste gejagt, doch jetzt wird der Mantel des Schweigens über die Angelegenheit gebreitet. Dadurch wird aber nicht nur ein juristisch korrektes Wiederaufnahmeverfahren verhindert, sondern die österreichische Justiz beschuldigt noch immer unwiderrufen Mitarbeiter einer deutschen Firma der fahrlässigen Tötung von 155 Menschen. Bis heute liegt der »primäre Tatort« für die größte Katastrophe der Republik Österreich offiziell nicht im Salzburger Kaprun, sondern in Deutschland, im Baden-Württembergischen Städtchen Vaihingen an der Enz.
    Österreichische Medien erfahren erst 2009 durch einen kritischen Bericht in der deutschen Wochenzeitung Die Zeit von den Ermittlungsergebnissen aus Baden-Württemberg. Auf Anfrage teilt das Justizministerium mit: »Die Ergebnisse dieses Verfahrens der Staatsanwaltschaft Heilbronn wurden im Hinblick auf eine allfällige Wiederaufnahme des Strafverfahrens wegen der Brandkatastrophe überprüft. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens lagen jedoch nicht vor.«
    Auch die österreichische Tageszeitung Kurier berichtet im Oktober 2009 ausführlich über die neuen Erkenntnisse aus Baden-Württemberg. Doch der Bericht hat keine Folgen.
    Aus Deutschland kommt unterdessen weiterhin Druck. Immer stärker wird die Forderung nach einer Wiederaufnahme des Kaprun-Prozesses. Im November 2009 berichtet die ORF -Nachrichtensendung ZIB 2 über die deutschen Forderungen und lädt Dieter Böhmdorfer ein, Justizminister von 2000 bis 2004, in dessen Amtszeit die Katastrophe fällt. In einem Interview befragt ihn die ORF -Moderatorin Ingrid Thurnher. »Halten Sie es für total ausgeschlossen, dass der Fall noch einmal aufgerollt wird? Ja oder nein.«
    Böhmdorfer: »Das habe ich in der Form nicht gesagt. Es ist nicht total auszuschließen. Es gibt theoretisch die Möglichkeit einer Wiederaufnahme, dazu braucht es aber neue Tatsachen und neue Beweismittel. Das Verfahren ist halt so genau geführt worden, dass es für Kenner der Materie und der Szene äußerst unwahrscheinlich ist, dass hier wirklich neue Tatsachen und neue Beweismittel hervorkommen. Und dass sich Deutsche bei uns wichtig machen, von der sogenannten höheren Warte, das kennen wir, das halten wir aus.«

Kapitel 40
    Hans-Joachim Keim, der Stuttgarter
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