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155 - Kriminalfall Kaprun

155 - Kriminalfall Kaprun

Titel: 155 - Kriminalfall Kaprun
Autoren: Uhl Hannes
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»Gerechtigkeit für Kaprun«. Mit an Bord sind deutsche und japanische Opferangehörige, der japanische Opferanwalt und Professor für deutsches Recht, Toichiro Kigawa sowie der Wiener Rechtsanwalt Gerhard Podovsovnik. Sie kämpfen weiter, auch wenn ihre Chancen, in Österreich Gerechtigkeit zu erlangen, gering sind.
    Keim hat sich tatsächlich festgebissen. Er steigert sich in den Fall immer mehr hinein und reagiert emotional und verbittert auf das seiner Meinung nach geschehene Unrecht und die Tatenlosigkeit der Republik Österreich. Er verstrickt sich über seine Firma in zahlreiche Klagen gegen Beteiligte am Kaprun-Prozess sowie österreichische Regierungsmitglieder.
    Mittlerweile interessieren sich auch deutsche Medien für den Fall, während das Thema in Österreich kaum Widerhall findet. Der deutsche Spiegel berichtet unter dem Titel »Freispruch für Gott« ausführlich über die neuen Erkenntnisse aus Heilbronn und stellt die Frage, ob sich Österreich »offenbar nicht nur auf das Präparieren schneeweißer Pisten versteht, sondern genauso gut auf das Präparieren schneeweißer Westen?«. Auch Fernsehmagazine nehmen sich des Themas an. Der Bayerische Rundfunk berichtet mehrmals im Magazin kontrovers und gestaltet eine Doku unter dem Titel »Vertuschen, verschweigen, verharmlosen – Die Kaprun-Katastrophe«. Darin kommen auch die Hinterbliebenen mit ihrer scharfen Kritik zu Wort: »Die Rechtssprechung in Österreich ist in meinen Augen keine«, sagt einer von ihnen.

Kapitel 41
    Am frühen Morgen des 11. November 2000 sitzen 32 erwartungsfrohe Mitglieder des Skiklubs Unterweißenbach aus der bayrischen Oberpfalz in einem Bus und fahren nach Kaprun, um von dort auf das Kitzsteinhorn zu gelangen. Bei bestem Skiwetter soll dieser Ausflug ihr Start in die lang ersehnte Skisaison werden. Als der Bus später nach Unterweißenbach zurückkehrt, fehlen 22 Mitglieder. Sie sind im Tunnel der Gletscherbahn erstickt und verbrannt. 12 Personen überlebten das Inferno, darunter 10 Klubmitglieder aus Unterweißenbach.
    Als das Feuer im unteren Führerstand der Gletscherbahn ausbricht, sich schnell ausbreitet, der beißende, stinkende Rauch das Atmen erschwert und der Zug stehen bleibt, wollen die Bayern raus. Aber die Zugtüren bleiben geschlossen und Notöffner sind nichtvorhanden. Sie reißen an den Türen, drücken an den Fenstern, doch es gibt keine Nothämmer, keine Verbindung zum Zugführer, keine Feuerlöscher und nicht einmal Brandmelder.
    Panik bricht aus. Sie sitzen in der Falle und der Rauch wird immer giftiger. Wie besessen schlagen sie mit Skiern und Stöcken die Kunststofffenster ein, zwängen, ziehen und schieben sich durch ein Loch im Fenster, fallen auf die Gleise, rappeln sich wieder auf, werden zwei Mal durch die Druckwelle von Explosionen umgeworfen, prallen gegen schwarze Wände, stürzen und rennen um ihr Leben.
    Sie liefen am 11. November 2000, und sie laufen noch heute. Nachts, wenn andere friedlich schlafen, schlagen sie verzweifelt gegen die Zugfenster und rennen, fallen hin und laufen weiter, die Tunnelwände erdrücken sie, der Qualm erstickt sie, das kleine weiße Licht, das ihnen als Ausgang aus der Ferne leuchtet, kommt nicht näher. Am Anfang war es jede Nacht, jetzt werden die Abstände zwischen den Panikattacken größer. Alkohol überdeckt die Angst vor den Alpträumen, und wenn die Bilder wiederkommen, helfen nur schwere Beruhigungsmittel mit erheblichen Nebenwirkungen.

    Zwei der bayrischen Opfer auf dem Weg frühmorgens am 11. November 2000 nach Kaprun
    Therapien schlugen nicht an und brachten nur kurzfristige Erfolge. Noch schlimmer sind die Erinnerungen an Angehörige und Freunde, die sie in der Gletscherbahn zurücklassen mussten. Ihre Gesichterwollen nicht verschwinden, im Traum strecken sie ihre Hände aus, ihr Mund formt »Hilf mir!« Die zehn Überlebenden aus Unterweißenbach haben sich tausendmal gefragt: Warum bin gerade ich nicht verbrannt, warum sie? Warum habe ich ihnen nicht geholfen? Sie fühlen sich schuldig, und diese Schuld wird an manchen Tagen und Nächten übermächtig. Keiner der Überlebenden kann sich über seine Rettung freuen und den »zweiten Geburtstag« unbeschwert feiern. Niemand von ihnen kann nach Kaprun ein normales Leben führen, niemand ist gesund aus der Tunnelhölle gekommen.
    In Amstelveen, einem noblen Vorort von Amsterdam, schaut Joop Stadtman aus dem Fenster seines Hauses und auf seinen Betrieb. Sein Sohn war soweit, wollte übernehmen und
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