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1506 - Eine Welt der Linguiden

Titel: 1506 - Eine Welt der Linguiden
Autoren: Unbekannt
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Beispiel von unserer Größer her. So empfinden wir beide diese Kabine als einen bewohnbaren Raum im Innern eines Raumschiffs. Nur im individuellen Bereich weichen unsere Ansichten über diesen Raum voneinander ab. Für mich ist er fremd. Für dich dagegen ist er ein Stück Heimat."
    „Einverstanden", summte der Ophaler. „Und weiter?"
    „Mit dem Begriff ›Heimat‹ verbindest du gleichzeitig Erinnerungen an deine Kindheit, deine Familie, dein Volk, die Kette der Assoziationen umfaßt nahezu alles, was dein Leben ausmacht, dein Sein.
    Aber es sind in deinem Fall ausschließlich Assoziationen, die in die Vergangenheit reichen. Heimat ist für dich kein Begriff, den du mit der Zukunft in Verbindung bringst. Wenn du es versehentlich doch einmal tust, schreckst du innerlich sofort davor zurück."
    „Woher weißt du das?" fragte Salaam Siin betroffen. „Du hast es mir selbst gesagt. Nicht mit Worten, sondern mit all den kleinen Zeichen, die du unbewußt mit deiner Haltung, deinen Gesten und Bewegungen gibst. Du hast Angst davor, an deine Heimat zu denken. Also tust du es gar nicht erst. Warum erzählst du mir nicht einfach, was dich in diesem Zusammenhang bedrückt?"
    Noch nie hatte er darüber gesprochen, und so zögerte er. Aber dann berichtete er von dem Unfall, den er erlitten hatte: Lange Zeit hatte er nicht „singen" können, und er hatte geglaubt, daß es für ihn mit der Musik aus und vorbei war. Das gehörte der Vergangenheit an. Alles war wieder in Ordnung.
    War es das wirklich?
    Nur ein Ophaler konnte das beurteilen - ein Singmeister. Salaam Siin war selbst einer. Aber war er das wirklich noch?
    Er wich jedem Gedanken an seine Heimat aus, weil er es nicht wagte, an eine Rückkehr zu denken. Er hatte Angst, sich zu blamieren. Man würde ihn bei seinem Volk möglicherweise gar nicht mehr anerkennen. „Heimat", sagte die Friedensstifterin, „ist ein Begriff, der der Individuellen Realität angehört. Du kannst nicht auf irgend etwas deuten und sagen: Das ist Heimat. Jeder macht sich seine eigenen Vorstellungen davon, was er unter einer Heimat verstehen will. Diese Vorstellungen sind mit den Facetten identisch, von denen ich vorhin gesprochen habe. Jedes Individuum kennt nur eine begrenzte Zahl dieser Facetten und formt aus ihnen sein persönliches Bild eines solchen Begriffs. Dieses Bild kann man beeinflussen, indem man die Auswahl der Facetten ändert. Man rückt zum Beispiel jene Facette, die bisher im Brennpunkt stand, ein wenig zur Seite. Bei dir ist das der Aspekt der Anerkennung durch dein Volk in Verbindung mit deiner Musik. Du warst ein anerkannter Meister, als du dein Volk und deine Heimat verlassen hast. Dann kam der Unfall. Du bist dir nicht sicher, ob du immer noch ein so großer Meister bist. Daraus resultiert deine Angst."
    „Ich weiß das", gestand Salaam Siin in Moll. „Aber das hilft mir leider auch nicht weiter."
    „Das ist ganz normal", tröstete Dorina Vaccer. „Man kann ein solches Bild nur sehr schwer aus eigener Kraft ändern. Es gibt aber noch eine andere Facette, und auch sie hat etwas mit Anerkennung zu tun.
    Sie betrifft nicht die Musik, sondern die Erfahrung, das Wissen. Es gibt mit Sicherheit keinen zweiten so weitgereisten Ophaler wie dich. Du hast unglaublich viel gesehen und erlebt. Du warst sogar in einem anderen Universum. Wenn du in deine Heimat zurückkehrst, dann bringst du deinem Volk Bilder und Kenntnisse mit, die einzigartig sind.
    Man wird dich anerkennen!"
    Salaam Siin stellte fest, daß die Linguidin recht hatte. Diese Erkenntnis überraschte ihn nicht einmal. Er hatte sogar das Gefühl, daß er all das schon immer gewußt hatte. Er hatte nur nicht in ausreichendem Maße daran glauben können. „Damit hast du recht", sagte Dorina Vaccer lächelnd. „Diese Facette war in deinem Bild bereits enthalten.
    Andernfalls wäre es schwieriger und langwieriger gewesen. Es dauert seine Zeit, eine neue Facette zu installieren."
    „Aber es wäre möglich."
    „Selbstverständlich."
    „Es funktioniert also auf der Basis dieser Facetten", summte Salaam Siin nachdenklich. „Indem ihr sie verschiebt oder gegeneinander austauscht, könnt ihr das Bild ändern. Das leuchtet mir ein. Aber ich habe mir das mit den Erfahrungen und dem Wissen auch schon selbst gesagt, und es hatte nicht die geringste Wirkung.
    Wie war es dir möglich, mich so schnell davon zu überzeugen, daß du recht hast?"
    „Erstens wußtest du es bereits. Zweitens habe ich deine Körpersprache nachgeahmt.
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