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1506 - Eine Welt der Linguiden

Titel: 1506 - Eine Welt der Linguiden
Autoren: Unbekannt
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unverständlichste Ebene. Wir nennen sie die ›Absolute Realität‹ oder die ›Ebene der fehlenden Begriffe‹. Sie umfaßt dieses Universum als Ganzes und alles, was außerhalb dieses Universum existieren und mit ihm in Zusammenhang stehen mag. Über all das wissen wir nichts, und selbst wenn wir unser Universum verlassen könnten, würde uns das keine wirkliche Gewißheit bringen. Denn wir sind selbst Bestandteile dieses Universums, und wir würden alles, was wir dort draußen finden, mit unseren hier erworbenen Maßstäben messen, die dort nicht unbedingt gültig sein müssen."
    „Ist das die Grundlage eurer Philosophie?"
    „So könnte man es ausdrücken."
    „Dann ist also die Basis eurer gesamten Weltanschauung die schlichte Erkenntnis, daß ihr nichts wißt und auch kaum hoffen könnt, daß sich das einmal ändern wird."
    „Ja."
    „Kann man damit leben?"
    „Warum nicht? Aber kommen wir zur nächsten Stufe. Das ist die ›Objektive Realität‹ oder die › Ebene der unabänderlichen Begriffe‹. Sie umfaßt das Innere unseres Universums und besteht aus den kosmischen Konstanten, die überall und für alle Intelligenzen in gleichem Maß gültig sind."
    „Zum Beispiel die Lichtgeschwindigkeit", vermutete Salaam Siin. „Genau. Es gibt viele derartige Konstanten. Sie sind uns häufig nur auf dem Umweg über technische Geräte zugänglich. Nächste Stufe: Die ›Subjektive Realität‹ oder ›Ebene der materiellen Begriffe‹. Sie umfaßt das, was man gemeinhin als die Wirklichkeit bezeichnet. Da aber jede Lebensform die materielle Wirklichkeit auf seine Weise sieht, gibt es nicht nur eine einzige Subjektive Realität, sondern deren viele. Jede dieser Realitäten beschreibt die Welt einer Lebensform."
    „Die Wirklichkeit ist Ansichtssache", stimmte Salaam Siin zu. „Eine Mikrobe sieht die Realität anders als ein Haluter, das ist leicht einzusehen."
    „Ich habe von den Halutern gehört", sagte Dorina Vaccer. „Es müssen sehr interessante Wesen sein. Kommen wir zur letzten Stufe. Das ist die ›Individuelle Realität‹ oder die ›Ebene der geistigen Begriffe‹ die Welt der Gedanken und Ideen, des Glaubens und der Gefühle, der persönlichen Ansichten und individuellen Erfahrungen, und es ist daher auch die Ebene der Assoziationen."
    „Ich verstehe", summte der Ophaler. „Für den einen ist Musik eine Kunst, für einen anderen ein störendes Geräusch, für mich eine Sprache."
    „Das ist ein Teil dessen, was wir unter der Individuellen Realität verstehen", stimmte Dorina Vaccer zu, und Salaam Siin fühlte plötzlich Stolz in sich aufkeimen. Das machte ihn stutzig. „Was hast du getan?" fragte er unsicher. „Geantwortet", erwiderte Dorina Vaccer sanft. „Worauf?"
    „Auf ein Zeichen, das du gegeben hast."
    „Ich habe kein Zeichen gegeben!"
    „Es ging so", sagte sie und tat etwas - Salaam Siin starrte sie fassungslos an.
    Sie hatte beim besten Willen keine Ähnlichkeit mit einem Ophaler. Ihr Körperbau war aus seiner Sicht völlig fremdartig. Und trotzdem schaffte sie es, irgendwie ... ophalisch auszusehen.
    Er glaubte, seinen Lehrer vor sich zu sehen, damals in der Singschule, in einem jener Augenblicke, in denen er vor Glück und Stolz zu bersten drohte. Das war eine Erinnerung, die ihn ein wenig wehmütig stimmte. Fast zuckte er davor zurück. „Du hast mich gelobt", stellte er fest. „Woher kennst du diese Geste? Und wie, um alles in der Welt, kannst du sie mit deinem Körper ausdrücken? Versteh das bitte nicht falsch, aber er ist wirklich nicht dazu geeignet!"
    „Alles zu seiner Zeit", sagte Dorina Vaccer und lächelte. „Du wolltest wissen, wie es funktioniert, erinnerst du dich?"
    Natürlich erinnerte er sich. Aber das andere, das, was er eben erst entdeckt hatte, faszinierte ihn fast noch mehr.
    Er nahm an, daß sie das wußte. Wenn sie seine Körpersprache lesen konnte, dann konnte es ihr nicht verborgen bleiben. Aber offenbar wollte sie nicht weiter darauf eingehen. „Die Sprache", sagte sie, „besteht aus Begriffen. Begriffe sind wie Kristalle. Sie sind nicht flächig, sondern körperlich. Du kannst sie von allen Seiten her betrachten, und jedesmal siehst du eine andere Facette. Jede Facette verleiht dem Begriff eine andere Bedeutung. Manche Begriffe haben sehr viele Bedeutungen, andere nur wenige. Je ähnlicher sich zwei Wesen unterschiedlicher Herkunft sind, desto mehr Begriffe haben sie miteinander gemeinsam. Du und ich, wir sind uns in vieler Hinsicht ähnlich - zum
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