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1505 - Dorina, die Friedensstifterin

Titel: 1505 - Dorina, die Friedensstifterin
Autoren: Unbekannt
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gelernt. Sie lernte gerne - wenn es um Dinge ging, für die sie sich interessierte.
    Das meiste von dem, was der Lehrer ihr zu bieten hatte, war ihr ziemlich gleichgültig. Was war schon dabei, all diese unnützen Dinge zu wissen? Was konnte man zum Beispiel mit all den überflüssigen Zahlen anfangen?
    Wörter waren viel interessanter.
    Es war erschreckend, wie wenig der Lehrer über Wörter wußte!
    Immerhin hatte der Lehrer eine bezaubernde Schwäche: Diejenigen, die ihn gebaut hatten, hatten ihm einen sturen, maschinenhaften Ehrgeiz verliehen, der es ihm unmöglich machte, einem Schüler eine Antwort schuldig zu bleiben. Da aber der Lehrer nur einen begrenzten Vorrat an Wissen in seinem künstlichen Gehirn unterbringen konnte, hatte man ihm verschiedene Möglichkeiten einprogrammiert, damit er sich die Antworten auf ungewöhnliche Fragen im Notfall selbst besorgen konnte.
    Diese Maßnahme machte den Lehrer zu einem Schlüssel, mit dem man fast alle Türen öffnen konnte - wenn man die richtigen Tricks kannte. Es überraschte Dorina nicht im geringsten, als sie feststellte, daß es auch hier um Wörter ging.
    Auf der Suche nach Wörtern, die gleichzeitig als Schlüssel zu neuem Wissen dienen konnten, war Dorina auf einen Begriff gestoßen, den sie bereits von ihren Eltern gehört hatte. Friedensstifter.
    Dieser Begriff faszinierte sie. Warna hatte ihn im Zusammenhang mit Dorinas Begabung genannt, und Dorina zog daraus den Schluß, daß auch die Friedensstifter mit Wörtern umgehen konnten. Sie wollte mehr über diese Linguiden erfahren.
    Der Lehrer schien ein wenig Mühe zu haben, die Antworten auf Dorinas diesbezügliche Fragen zu besorgen. Er präsentierte ihr eine Reihe von Namen, die für Dorina alle miteinander völlig nichtssagend waren. Die dann folgenden Berichte erwiesen sich als überschwengliche Lobeshymnen, die bei Dorina große Erwartungen weckten.
    Um so größer war die Enttäuschung, als der Lehrer endlich etwas von dem wiedergab, was die Friedensstifter produzierten.
    Es waren Reden - was auch sonst? Aber diese Reden waren nicht das, was Dorina erwartet und erhofft hatte.
    Oh, die Friedensstifter konnten reden! Dorina verstand mittlerweile genug davon, um das beurteilen zu können.
    Sie beherrschten die Kunst, ihr Publikum zu fesseln und selbst die zum Zuhören zu bringen, die sich zunächst dagegen sträubten. Sie gebrauchten die Sprache mit derselben Geschicklichkeit, mit der ein Sluck seine Krallen einsetzte. Sie kannten Wörter und Redewendungen für jede nur denkbare Gelegenheit, und sie verstanden sich darauf, sich dem sprachlichen Niveau ihrer Zuhörer anzupassen. Sie sprachen Hoch-Lingo und sämtliche Dialekte. Und offenbar beherrschte jeder von ihnen auch noch andere Sprachen.
    Aber reichte das alles aus, um die überschwengliche Verehrung zu erklären, die man ihnen entgegenbrachte?
    Dorina suchte vergeblich nach einem Beweis dafür, daß auch die Friedensstifter imstande waren, die Zeichen zu lesen, wie sie selbst es inzwischen ganz automatisch tat, auch wenn sie sich gar nicht darum bemühte. Sie fand nichts.
    Wie wollten und konnten sie jemanden beeinflussen, wenn sie nicht auf die Zeichen achteten?
    Wochenlang studierte sie die Aufzeichnungen. Ohne Erfolg. Schließlich stieß sie auf einen Querverweis, eine Spur, die an einen Ort führte, den man Hajmayur nannte - die Schule.
    Mit Hajmayur wollte sie nichts zu tun haben, um keinen Preis der Welt. Schon der bloße Gedanke an diesen Ort versetzte sie in Panik.
    Aber nach einigen Tagen überwog die Neugierde, und obwohl - oder gerade weil - es sehr schwierig und auch ein bißchen gefährlich war, warf sie mit der höchst unfreiwilligen Hilfe des Lehrers aus sicherer Entfernung einen Blick in diese Institution.
    Dort las man keine Zeichen. Statt dessen absolvierten sie in dieser Schule Sprechübungen, die in Dorinas Ohren ausgesprochen albern klangen.
    Abweisen, anweisen, hinweisen, unterweisen ...
    Mit solchen Kinkerlitzchen konnte man noch nicht einmal einem Sluck imponieren.
    In anderen Räumen sangen, tanzten und turnten sie, vollführten die merkwürdigsten Verrenkungen und diskutierten miteinander.
    Und das schien alles zu sein, was in Hajmayur geschah.
    Dorina fragte sich, ob sie nicht vielleicht irgendwo etwas Wichtiges übersehen hatte. Aber andererseits hatte sie in ihrem ganzen bisherigen Leben noch keinen einzigen Linguiden getroffen, der die Zeichen so gut lesen konnte, wie sie es tat.
    Konnte es sein, daß sie etwas hatte,
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