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1493 - Höllenschwur der Zwillinge

1493 - Höllenschwur der Zwillinge

Titel: 1493 - Höllenschwur der Zwillinge
Autoren: Jason Dark
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Boden. Aber auch das helle Licht konnte die trüben Gedanken der Lehrerin nicht vertreiben.
    Sie hasste die Umgebung, und sie hasste sich selbst. Vor allen Dingen ihr Schicksal.
    Langsam fuhr sie mit dem Rollstuhl zurück. So weit, dass sie sich drehen konnte. Sie wusste, dass bald die anderen Insassen in diesen offenen Aufenthaltsraum geschoben wurden, und denen musste sie nicht unbedingt begegnen. Sie kam sich vor wie eine Einäugige unter Blinden. Es war besser, wenn sie in ihr Zimmer fuhr.
    Auch das war ein Privileg, denn die meisten der Zimmer waren doppelt belegt. Sie aber hatte ein Einzelzimmer, denn sie hatte genügend Geld, um es zu bezahlen.
    Der Rollstuhl wurde nicht von einem Motor angetrieben. Sie musste ihn schon selbst in Bewegung setzen, was sie erst hatte lernen müssen. Jetzt aber klappte es.
    Die Gänge im Haus waren breit und auch hell, denn jeweils an ihren Enden bestand die Wand aus Glas, das bis zum Boden reichte.
    Haltegriffe waren an den Seite angebracht.
    Als die Frau in den Gang fuhr, in dem ihr Zimmer lag, kam ihr ein Mann entgegen.
    Es war Willy.
    Ob er tatsächlich so hieß, wusste wohl nicht mal er selbst. Willy war fast neunzig Jahre alt, etwas wirr im Kopf und ein Mensch, der einfach nicht ruhig sitzen bleiben konnte.
    So war er ständig unterwegs. Er lief von einem in den anderen Gang, immer am Geländer entlang, immer etwas vor sich hin murmelnd, als würde er seine Gedanken laut formulieren.
    Für Eartha Boone stand fest, dass sie sich von Willy nicht aufhalten lassen würde. Sein Gerede fiel ihr auf die Nerven. Sie wollte so schnell wie möglich an ihm vorbei.
    Willy sah die Frau in ihrem Rollstuhl auf sich zufahren und blieb stehen. Er stierte Eartha entgegen, und als diese ihn beinahe erreicht hatte, fing er an zu sprechen.
    »Du hast Besuch.«
    Eartha stoppte. »Was habe ich?«
    »Besuch.«
    »Von wem denn?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Dann habe ich auch keinen Besuch«, erklärte sie.
    »Doch!« Willy hob einen Arm. »Er ist in dein Zimmer gegangen und wartet jetzt. Ich habe es gesehen.«
    »Wie schön. Und wen hast du gesehen?«
    »Frauen…«
    Eartha Boone zuckte zusammen. »Sag das noch mal. Du hast Frauen in mein Zimmer gehen sehen?«
    »Ja, das habe ich.«
    »Und weiter?« Jetzt zeigte die Frau im Rollstuhl doch ein gewisses Interesse.
    Willy gähnte erst. Dann sagte er mit leiser Stimme, als wollte er, dass niemand anderer etwas hört: »Sie sind noch jung. Kein so altes Weib, wie du es bist.«
    »Ha, das musst du gerade sagen, du alter Bock.« Sie kam wieder zum Thema. »Und der Besuch hält sich noch in meinem Zimmer auf? Oder ist er schon gegangen, weil ich nicht da war?«
    »Nein, der ist noch da.« Willy stierte sie an. »Ich will auch Besuch haben. Aber alle sind tot. Ich kriege keinen mehr, und es steigt auch niemand aus dem Grab.«
    »Das soll wohl so sein.« Eartha nickte dem Mann zu und setzte sich mit ihrem Rollstuhl wieder in Bewegung. Dabei schüttelte sie den Kopf. Besuch! Wer sollte sie schon besuchen? Verheiratet war sie nie gewesen. Sie hatte nur für ihren Beruf als Lehrerin gelebt und die noch vorhandenen Angehörigen lebten alle oben in Sunderland.
    Da verirrte sich keiner mehr nach London.
    Sie musste noch drei Türen passieren, um ihr Zimmer zu erreichen, das am Ende des Gangs auf der linken Seite lag.
    Vor der Tür hielt sie an und drehte den Rollstuhl so, dass sie auf das helle Holz schauen konnte. Zwar drängte es sie, das Zimmer zu betreten, aber zunächst wollte sie lauschen und so vielleicht herausfinden, ob sich tatsächlich jemand im Zimmer befand. Auch wenn die Türen dick aussahen, sie waren es nicht. Wenn jemand normal sprach, war das schon draußen zu hören.
    In diesem Haus spielte Zeit keine Rolle. Man lernte sehr schnell, geduldig zu sein, und so machte es der Frau auch nichts aus, etwas länger zu warten.
    Sie hörte nichts.
    Dann schaute sie nach links, um Willy etwas zu fragen. Der war schon weitergegangen und nicht mehr zu sehen. Die Klinke konnte sie mit der ausgestreckten Hand erreichen. Sie brauchte auch nicht viel Kraft, um sie zu drücken. Beinahe wie von allein schwang die Tür nach innen und gab den Blick in den Flur frei.
    An der linken Seite gab es ein abgetrenntes Bad, an dem sie vorbeifuhr, um freie Sicht in den Wohnbereich zu haben.
    Hinter ihr schwang die Tür langsam wieder zu. Dafür hatte Mrs. Boone jedoch keinen Blick mehr. Ihre Augen richteten sich auf die beiden jungen Frauen, die tatsächlich neben dem Bett
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