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1486 - Im Tempel der Furcht

1486 - Im Tempel der Furcht

Titel: 1486 - Im Tempel der Furcht
Autoren: Jason Dark
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Kopf.
    Um diese Skelette wollte ich mich später kümmern. Zunächst schaute ich zu, wie der knochige Körper des ersten zusammenbrach und die Reste innerhalb der Kleidung verschwanden, denn jeder der Knöchernen trug ein altes Gewand.
    Es war still geworden, als die letzten Reste am Boden lagen. Auch Rosy Keller sagte nichts. Ich hörte sie nur schwer atmen. Sie war bestimmt ebenso überrascht wie ich.
    Dann nahm ich mir das zweite Skelett vor.
    Diesmal legte ich meine Hand auf die Kopfbedeckung. Auch hier reichte ein leichter Druck, um das Knochengebilde darunter zusammenbrechen zu lassen.
    Wieder vernahm ich das leise Knirschen. Dann konnte ich dabei zuschauen wie die Kleidung zusammensackte und feiner Staub Wolken bildete.
    Ich kümmerte mich schon um das dritte Skelett. Es trug ebenfalls diese Kappe auf dem Kopf. Und wieder knirschte und rieselte es, als meine Hand den nötigen Druck ausübte.
    Danach gab es sie nicht mehr.
    Bis auf Sir Baldur!
    Der wie ein Mönch gekleidete Adelige hockte auf dem vierten Stuhl. Er rührte sich nicht. Seine Gestalt war starr wie eine Statue.
    Ich schaute in seine kalten Augen und überlegte, ob sie tatsächlich so etwas wie Leben beinhalteten. Das war nicht genau zu sagen, aber es war mir letztendlich auch egal.
    Auch er sollte nicht überleben. Aber er war anders. Kein Skelett und trotzdem eine tote Gestalt, die eine unheilige Macht ins Leben zurückgerufen hatte.
    Wir schauten uns an.
    Ich hielt noch das Kreuz fest.
    Ich spürte auch die Wärme, die mir Zuversicht und Kraft gab.
    So nahe hatte ich Sir Baldur Wainright noch nicht gesehen, und ich überlegte, in welche Augen ich tatsächlich schaute. Waren es menschliche oder gehörten sie einem Toten?
    Ich hatte auch erlebt, dass diese Gestalt sprechen konnte. Das war bei den Skeletten nicht der Fall gewesen. Der Duke war also noch nicht so weit. Es konnte durchaus sein, dass er seinen endgültigen Totenplatz schon eingenommen hatte, um sich hier verabschieden zu können, sodass er nur noch Erinnerung blieb.
    Ich sprach ihn mit leiser Stimme an. »Es gibt deine Freunde nicht mehr, mein lieber Duke. Sie sind zu Staub zerfallen.«
    Er nahm es hin. Aber er grübelte über eine Antwort nach, das sah ich ihm an. Und dann schüttelte er langsam den Kopf.
    »Es waren nicht meine Freunde…« Rau klang seine Stimme, und sie war schwer zu verstehen.
    »Wer waren sie dann?«
    »Die Richter. Es waren die Richter der Menschen. Diejenigen, die über Hexen und normale Frauen Gericht gehalten haben, um sie dann auf die Scheiterhaufen zu schicken oder auf eine andere grauenvolle Weise zu töten. Sie waren so selbstgerecht, und das hat sich die Hölle gemerkt. Der Teufel hat sie in diese Hölle geschickt. Sie sind nie normal gestorben. Sie wurden als lebendige Menschen vom Satan geholt und in den Tempel der Furcht geschafft. Hier mussten sie sitzen. All die Zeiten. Sie starben, sie trockneten aus, sie verwesten, sie wurden zu Skeletten, über deren Knochen sich eine grünliche Schimmelschicht legte. Hier im Tempel der Furcht, hier in der Vorhölle hauchten sie ihr erbärmliches Dasein aus und mussten ihre Seelen an den Teufel abgeben. Die Hölle ist gerecht, das weiß ich.«
    Gut, jetzt wusste ich Bescheid. Die ehemaligen Richter spielten keine Rolle mehr. Aber da war noch der Duke, und er war kein Richter gewesen. Deshalb fragte ich ihn: »Ist hier in dieser Vorhölle auch ein Platz für dich reserviert worden? Solltest auch du hier sterben?«
    »Nein, ich bin ein Wanderer. Ich bin unsterblich. Ich habe mir die Frauen geholt, und ich habe ihre Seelen dem Teufel verschrieben, wenn sie tot waren. Ich erhielt als Gegenleistung eine andere Existenz, die mich die Zeiten überdauern ließ. Mein kleines Haus war so etwas wie der Eingang zur Vorhölle. Wer hineinkam, der konnte die Verdammnis schon spüren. Die Frauen starben, nachdem ich von ihnen genug hatte. Ihre Seelen aber schluckte die Verdammnis, und der Teufel rieb sich die Hände, weil er durch mich dem Himmel die Seelen hat entreißen können.«
    »Und jetzt befinden wir uns wieder an diesem Ort?«
    »Ja, ich kehrte zurück in meine Heimat. Nach einer sehr, sehr langen Wanderung. Aber es gab mein Haus nicht mehr. Ein anderes war dafür gebaut worden. Eine Frau lebte darin, die nichts von den Vorgängen ahnte. Bis sie etwas herausfand und plötzlich wusste, was früher in ihrem Haus geschehen war. Vielleicht hat sie es auch nur geahnt, ich kann das nicht so genau sagen. Aber es ging alles
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