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148 - Operation Harmagedon

148 - Operation Harmagedon

Titel: 148 - Operation Harmagedon
Autoren: Jo Zybell
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Schutzanzüge trugen, einige hatten sogar ihre Helme aufgesetzt. Miki Takeo beobachtete, wie die Besatzungen durch das hohe, vom böigen Nordostwind gebeugte Gras stapften. Sie hatten die EWATs sternförmig geparkt, sodass deren Buge auf den Mittelpunkt eines imaginären Kreises zeigten. Jetzt errichteten sie zeltartige Verbindungen zwischen den Bugluken. Takeos eigene Fahrzeuge und seine Infanteristen schlugen ihre Unterschlüpfe und Zelte ringförmig um die dreizehn Tanks auf.
    »Noch dreihundertachtzig Kilometer.« General Yoshiro deutete auf den Monitor an der Unterseite der Panoramakuppel.
    Dort sahen die beiden Männer, was die Bordhelix aus den Daten der Ortung und der optischen Geräte zusammengerechnet hatte: ein hohes Gebirge unter tief hängenden Wolken. Dunst verhüllte manche Gipfel. Das Bergmassiv erhob sich übergangslos und schroff aus der weiten Ebene, und die Seite, die der Bordrechner ihnen zeigte – die Westseite –, war gut tausendsechshundert Kilometer lang.
    »Rechts geht es nach Süden in die Reste des Altaigebirges über«, sagte Miki Takeo. »Es umgibt den Kometenkrater ringförmig, deswegen hat sich die Bezeichnung Ringgebirge durchgesetzt. ›Christopher-Floyd‹ schlug ungefähr an einem Punkt ein, an dem sich früher der so genannte Baikal-See mit einer Länge von fast achthundert Kilometern ausgedehnt hat.«
    Yoshiro schüttelte den Kopf. »Unfassbar! Sehen Sie sich diese Gipfel an! Sie müssen bei dem Einschlag innerhalb von Sekunden entstanden sein!«
    »Man kann sich die Erdmassen kaum vorstellen, die ›Christopher-Floyd‹ aufgewühlt hat.« Takeo verschränkte die Arme vor der Brust aus Plysterox. »Es hat etwas Unheimliches, dieses Bergmassiv. Etwas Abweisendes.«
    Yoshiro sah kurz zu ihm hin. Versuchte Takeo menschliche Stimmungen nachzuvollziehen? Als Androide müsste er für Empfindungen wie Ergriffenheit oder Unbehagen absolut unempfindlich sein. »Und dennoch werden wir zehn Stunden nach dem Angriffsbefehl am Fuß dieser Berge stehen.«
    Yoshiro schabte sich die Kopfhaut unter seiner blauen Perücke.
    »Versuchen wir Sir Leonard zu erreichen.« Er ließ sich in seinen Kommandantensitz fallen. »Ich will wissen, wo die anderen Kampfverbände stehen. Und vor allem müssten Ihre Frau und Commander Drax inzwischen an der ISS angedockt haben.«
    ***
    Luftraum über dem Atlantik, Anfang Oktober 2512
    »Flughöhe hundertsiebenundvierzigtausend Fuß, Geschwindigkeit Mach 8.9…« Captain Ahab gab die aktuellen Flugdaten durch. Hervorragende Daten, trotz der Rochen-Attacke und der Zeit, die sie dadurch verloren hatten, würden sie den Orbit der ISS mit nur vierzehn Minuten Verspätung erreichen.
    Dennoch schwiegen Matt und Naoki, während die Queen Victoria sie aus der Stratosphäre in die Mesosphäre hinauftrug.
    Fast fünfzehn Minuten lang sprach keiner von ihnen ein Wort.
    Möglicherweise ging es der Cyborg-Frau ähnlich wie dem Mann aus der Vergangenheit. Er nämlich hatte das Gefühl, seine Stimme könnte versagen, wenn er reden würde. Im Helmfunk hörte er Naokis rasche Atemzüge.
    Irgendwann bei einer Geschwindigkeit von Mach 10.3 und in einer Höhe von über zweiundsechzig Kilometern war es Naoki, die das Schweigen brach: »Da gab's doch mal ein Buch, das hieß ›Wir sind noch einmal davongekommen‹. Richtig?«
    »Das muss mindestens sechzig Jahre vor ›Christopher-Floyd‹ gewesen sein. Es war ein Bühnenstück. Von Tennessee Williams, glaub ich.«
    »Stimmt, hast du's gesehen?«
    »Nein. Mein Vater hat mir davon erzählt. Und mein Literaturlehrer.«
    »Hast du's gelesen?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht. Vielleicht finde ich es irgendwo in meinen Datenbanken im Medical Science Center.«
    »Vielleicht komme ich dann auch noch mal dazu, es zu lesen.« Matt sprach ähnlich leise und ähnlich heiser, wie seine Begleiterin. »Denn schließlich sind wir selbst noch einmal davongekommen, wie mir scheint.«
    »Stimmt, scheint mir auch so.«
    Danach herrschte wieder minutenlanges Schweigen. Keiner hatte das Bedürfnis zu reden, außer Captain Ahab natürlich: Im Zwanzig-Sekunden-Takt meldete er die Flughöhe und die Geschwindigkeit. Außerdem die rapide sinkende Temperatur und die Dicke der Eisschichten auf den Tragflächen. Von sich aus aktivierte er die Enteisung. Ab einer Flughöhe von einundachtzig Kilometern kletterte die Außentemperatur wieder dem Gefrierpunkt entgegen und stieg danach stetig an.
    »Flughöhe sechshundertdreißigtausend Fuß«, meldete
    Captain Ahab
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