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1441 - Der Seelenfluss

1441 - Der Seelenfluss

Titel: 1441 - Der Seelenfluss
Autoren: Jason Dark
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Alter.«
    Ich machte mich auf Zehenspitzen davon.
    Meine Wohnung betrat ich vorsichtig wie immer. Ich rechne immer damit, einen ungebeteten Gast anzutreffen, denn für manche meiner Feinde waren Wände und Türen kein Hindernis.
    Die Wohnung war leer, und so konnte ich mich langlegen. Ich hatte es zumindest vor, aber etwas kam mir dazwischen. Ich sah, dass die Lampe des Anrufbeantworters blinkte. Jemand hatte mich unbedingt sprechen wollen.
    Ich hörte das Band ab und vernahm die Stimme eines Yard-Kollegen aus der Telefonzentrale.
    »Für Sie hat ein gewisser Paul Hui oder so ähnlich angerufen, Mr Sinclair. Er bittet so schnell wie möglich um einen Rückruf. Ich gebe jetzt die Nummer durch. Dort können Sie den Mann Tag und Nacht erreichen, hat er gesagt.«
    Die Nachricht war beendet. Die Nummer, die ich aufgeschrieben hatte, gehörte zu einem Handy, und das würde sicherlich bei Paul Hui in der Tasche stecken.
    Ich wählte. Dann musste ich Geduld haben, aber schließlich meldete sich ein Mann. Obwohl er nur »Wer ist da?« sagte, erkannte ich Paul an der Stimme.
    »Ich bin es, John Sinclair.«
    »Sie!«
    Seine Antwort hatte aus einem Schrei bestanden, und ich sagte:
    »Haben Sie den Anruf nicht erwartet?«
    »Doch, habe ich.«
    »Sie haben sich aus dem Staub gemacht, nicht wahr?«
    Er druckste herum. Schließlich gab er es zu. »Ich wollte ja nicht, dass man mich sieht. Meine Tarnung sollte nicht auffliegen, aber ich glaube, das ist sie schon.«
    »Wieso?«
    Er sprach den nächsten Satz sehr schnell. »Ich – ich – glaube, ich werde verfolgt.«
    Für einen Moment stutzte ich. Dann fragte ich: »Glauben oder wissen Sie das?«
    »Es ist eher schon ein Wissen.«
    »Aber man hat Sie noch nicht angegriffen – oder?«
    »Nein, das hat man nicht. Nur traue ich mich nicht mehr in meine Wohnung.«
    »Wo habe ich Sie erwischt?«
    »In einem Pub. Das heißt, es ist mehr eine Kaschemme. Ich wollte dorthin, wo jetzt noch viele Menschen sind.«
    »Soll ich zu Ihnen kommen?«
    »Ja, das wäre super.«
    »Wo finde ich Sie genau?«
    »Nicht in Chinatown.«
    »Das hatte ich mir fast gedacht.«
    »In den Hafenanlagen am Westend. In Woolwich.«
    Das brachte mich auch nicht weiter. Ich wollte eine genaue Beschreibung haben, die ich auch erhielt. Dabei fiel mir ein, dass dort früher die Chinesen gewohnt hatten, bevor sie nach Soho gezogen waren, um dort eine neue Gemeinschaft zu bilden.
    Im alten Chinesenviertel hatte es noch die berüchtigten Opiumhöhlen gegeben, über die zahlreiche Schriftsteller der damaligen Zeit geschrieben hatten.
    Er wartete in einer Kneipe auf mich, die auf den sinnigen Namen »Vergangenheit« hörte. Ich kannte sie nicht, aber ich versprach Paul, zu ihm zu kommen.
    Zwar hätte ich mich lieber ins Bett gelegt, doch das wäre auch nichts geworden. Schlaf hätte ich kaum gefunden. Ich überlegte, ob ich Suko mitnehmen sollte, ließ den Gedanken jedoch fallen. Es war besser, wenn er mit Shao die junge Chinesin beschützte. Allerdings meldete ich mich vor meinem Abtauchen und nannte ihm auch das Ziel.
    »Meinst du, dass es etwas bringt?«
    »Wir müssen jede Chance nutzen.«
    »Okay, dann los.«
    »Und wie geht es unserem Schützling?«
    Suko winkte ab. »Nichts, John. Sie ist noch nicht aus ihrem Zustand erwacht.«
    »Aber ihr habt Hoffnung?«
    »Das auf jeden Fall.«
    Wir klatschten uns ab. Danach machte ich mich auf den Weg.
    ***
    Als es früher die Opiumhöhlen gegeben hatte, war an das Riesenrad noch nicht zu denken gewesen. Jetzt war es das Monument an der Themse und schien den gesamten Hafen und noch mehr überwachen zu wollen.
    Da wollte ich allerdings nicht hin. Mich trieb es in die weniger feine Gegend des Westend, und meinen Wagen stellte ich auf einem relativ sicheren Platz in der Nähe ab.
    Den Rest der Strecke lief ich zu Fuß, was kein großes Problem war.
    Eine Stadt wie London schläft ja nie. Auch hier brodelt es oft in der Nacht, das allerdings mehr im Sommer. Bei diesem feuchtkalten Wetter blieb man zu Hause oder hielt sich in einem der zahlreichen Lokale auf.
    Der Anruf hatte glaubhaft geklungen, aber ich war im Laufe der Zeit misstrauisch geworden. So konnte es durchaus sein, dass man Paul zu diesem Anruf beim Yard gezwungen hatte. Da brauchte man dann nur abzuwarten, bis ich mich meldete.
    Das hatte ich getan, und jetzt war ich gespannt, ob ich etwas Neues erfuhr.
    Das Pflaster glänzte. Der Lichtschein erreichte nur wenige Häuser, und so waren die Fassaden nur als schwache Umrisse zu
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