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1437 - Der weibliche Tod

1437 - Der weibliche Tod

Titel: 1437 - Der weibliche Tod
Autoren: Jason Dark
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machte es auf uns einen unbewohnten Eindruck.
    Mein Freund meinte: »Sieht irgendwie verstaubt aus.«
    »Bitte?«
    »Den Eindruck habe ich.«
    »Hör auf«, sagte ich.
    Die Eingangstür war schnell erreicht. Ich sah eine Klingel und entdeckte auch ein Schild, auf dem etwas in kyrillischer Schrift stand.
    Ich schellte.
    Es dauerte, bis sich etwas rührte. In der geschlossenen Tür befand sich eine Klappe, die von innen geöffnet wurde. In diesem Viereck erschien ein Gesicht. Erst als wir die Stimme hörten, war uns klar, dass uns eine Frau anschaute.
    »Was möchten Sie?«
    »Hinein.« Ich hielt meinen Ausweis gegen die Luke. »Es gibt eine Frau mit dem Namen Anna hier und…«
    »Polizei?« Die Fragerin hatte begriffen.
    »Ja.«
    »Und worum…«
    »Wir wollen Anna sprechen. An der Botschaft hat man uns gesagt, wohin wir uns wenden sollen.«
    »Ja, ja, ich habe geschlafen.«
    »Wie schön für Sie.«
    »Kommen Sie rein.«
    Innen wurde ein Schlüssel im Schloss gedreht, und dann öffnete sich die Tür, sodass wir hinein in das Halbdunkel eines Flurs gehen konnten.
    Die Frau, die uns geöffnet hatte, musste um die sechzig sein. Sie war klein, auf dem Kopf wuchs schütteres graues Haar und auf der Oberlippe schimmerte ein Damenbart.
    Uns fiel sofort die Stille auf. Das war selbst für ein Seniorenheim ungewöhnlich.
    »Sind die Bewohner ausgeflogen?«, fragte Suko.
    »Warum?«
    »Die Stille…«
    Die Frau winkte ab. »Sie machen einen Ausflug und kommen erst am späten Abend zurück.«
    »Anna aber nicht?«
    Die Frau schaute Suko an und schüttelte den Kopf. »Nein, sie nicht. Sie muss oben sein.«
    »Wissen Sie das nicht so genau?«
    »Ich bin erst vor kurzem gekommen. Ich war noch nicht oben. Mein Reich ist hier unten. Ich sitze an der Pforte.« Sie deutete auf die Tür, die zu einem Nebenraum führte. »Dort bleibe ich auch in der Nacht. Ich habe ein Bett da stehen.« Sie lächelte. »Es ist doch schön, in meinem Alter noch eine Arbeit zu haben.«
    »Ja, das ist es«, stimmte ich ihr zu. Ich deutete zur Decke. »Und dort oben ist niemand?«
    »Anna.«
    »Ganz allein?«
    »Die anderen fuhren weg. Sie haben sich schon lange auf diesen Ausflug gefreut. Aber Anna ist zu krank.« Sie schlug sich gegen die Stirn. »Eigentlich muss noch Isolde dort sein.«
    »Wer ist das?«, fragte ich.
    »Ein Hausmädchen. Nicht aus Russland. Eine Deutsche. Sie kümmert sich um die Kranken.«
    »Danke für die Auskünfte.«
    »Soll ich mit Ihnen gehen?«
    »Nein, wir werden sicherlich diese Isolde finden, die uns dann weiterhelfen kann.«
    »Ja, das glaube ich.« Mit einem letzten Lächeln zog sich die Frau zurück. Sie erklärte uns noch, wo genau wir Anna finden konnten, und so nahmen wir die Treppe in Angriff.
    Dass es keinen Fahrstuhl gab, war ein Nachteil in diesem Haus. So mussten die alten Menschen Treppen steigen. Treppenlifte gab es auch nicht.
    Ein altes Haus, nicht nur von außen, auch von innen. Eine Treppe mit Steinstufen, ein altes Geländer, das alles passte, ebenso wie die grau gestrichenen Wände und letztendlich der Geruch, der diesen Häusern so eigen ist.
    Es roch irgendwie nach Vergänglichkeit. Nach Abschiednehmen und einer gewissen Bitternis. Vielleicht auch nach alter Kleidung, die lange nicht mehr gelüftet worden war.
    Wie dem auch sei, es war uns in diesem Fall egal. Wir setzten unseren Weg fort, ohne gestört zu werden, ließen Stufe für Stufe hinter uns, und Suko, der vor mir ging, blieb plötzlich stehen, obwohl er nur noch zwei Stufen hinter sich zu bringen hatte.
    »Was ist denn?«
    Er drehte sich halb um, damit er mich anschauen konnte. »Ich weiß es nicht, John, aber ich habe ein verdammt ungutes Gefühl.«
    »Wieso?«
    Er verzog die Lippen zu einem säuerlichen Grinsen. »Das will ich dir sagen. Mich stört der Geruch.«
    »Warum? Den haben wir…«
    »Er ist anders.«
    Wenn Suko das so betonte, musste ich es schon als ernst ansehen.
    Das tat ich auch, und ich stellte mich auf die gleiche Stufe wie er.
    Es dauerte nicht lange, da wusste ich, was er meinte. Mit leiser Stimme fragte ich: »Blut…?«
    »Du sagst es.«
    Beide verloren wir unsere Lockerheit. Ich dachte plötzlich an den Popen. Nach ihm zu fragen hatten wir vergessen, aber wenn die Frau erst vor kurzem gekommen war, hatte sie ihn wahrscheinlich nicht gesehen. Es konnte auch sein, dass er schon wieder weg war.
    »Und, John? Rechnest du mit Überraschungen?«
    »Geh mal weiter.«
    Es war nicht mehr weit. Ein paar Schritte nur, aber auf dieser
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