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1433 - Der Engel, die Witwe und der Teufel

1433 - Der Engel, die Witwe und der Teufel

Titel: 1433 - Der Engel, die Witwe und der Teufel
Autoren: Jason Dark
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erlebt…?«
    ***
    Auf diese Bemerkung war ich zumindest nicht eingestellt und suchte zunächst nach der passenden Antwort.
    Kate Finley kam mir zuvor. »Von welch einem Wunder sprechen Sie denn?«
    »Na, hier. Von dem Engel. Von dem Verstorbenen, der zu einem Engel geworden ist.«
    Die nächste Bemerkung Kate Finleys gefiel mir nicht, aber ich konnte sie auch nicht stoppen.
    »Sie sprechen von meinem Mann?«
    Die Frau öffnete ihre Augen weit. Auch ihr Mund blieb eine Weile offen wie ein großes O. Ihr Körper geriet leicht ins Schwanken. »Ihr Mann liegt hier begraben? Dieser wunderbare Mensch, der zu einem Engel wurde?«
    »Pardon, Madam, aber ich weiß nicht, ob er zu einem Engel geworden ist und…«
    »Bestimmt, Mrs Finley, das müssen Sie mir glauben! Er hat sich in einen Engel mit wundersamen Kräften verwandelt. Er ist ein Heiler. Er will den Menschen Gutes tun.«
    »War das bei Ihnen auch der Fall?«, fragte ich.
    Erst jetzt schien sie mich wahrzunehmen. Sie nickte heftig. »Genau, Mister, genau. Er hat mir auch geholfen. Als ich von den Heilungen erfuhr, bin ich sofort hier an das Grab geeilt. Was soll ich Ihnen sagen? Ich wurde geheilt. Das Wunder ist tatsächlich geschehen. Und ich bin Ihrem Mann so dankbar!«
    Sie ergriff mit ihren Händen die rechte Hand der Witwe und küsste sie sogar.
    Es war Kate Finley unangenehm. Schnell zog sie ihre Hand wieder zurück. Dabei warf sie mir einen Hilfe suchenden Blick zu.
    Ich sprang sofort in die Bresche. »Von welcher Krankheit hat er Sie denn geheilt, Madam?«
    »Rheuma«, erwiderte sie flüsternd. »Ich habe unter einem sehr starken Rheuma gelitten. Doch als ich das Grab hier besuchte, da war es vorbei. Da gab es die Krankheit nicht mehr. Ich konnte mich bewegen wie vor dreißig Jahren. Ob Sie es nun glauben oder nicht. Aber das ist so gewesen, ich schwöre es!«
    Da war auch ich sprachlos. Kate Finley stand in der Nähe und schüttelte nur den Kopf. Sie war völlig von den Socken und musste einige Male schlucken.
    Die Frau hatte eine Stofftasche mitgebracht. Sie hing an zwei Bändern über ihrer linken Schulter. Jetzt nahm sie die Tasche und öffnete sie. »Um meine Dankbarkeit zu bezeugen, habe ich etwas mitgebracht, das ich auf das Grab stellen möchte…«
    Kate Finley wollte schon eingreifen, aber ich winkte ab, und sie hielt sich zurück.
    Wir wurden Zeugen, wie die Besucherin einen Rosenkranz aus der Tasche holte. Die Holzperlen klimperten dabei gegeneinander. Dann hielt die den Kranz zwischen zwei Fingern und ließ ihn so offen nach unten hängen, damit wir ihn auch ja sehen konnten.
    »Das ist meine Gabe«, sagte sie mit leiser Stimme. »Es ist mir nicht leicht gefallen, mich davon zu trennen, denn der Rosenkranz ist ein Erbstück meiner Mutter…«
    »Dann behalten Sie ihn doch!«, rief Kate.
    »Nein, nein, Mrs Finley. Ich werde ihn nicht behalten. Die Wiederkehr meiner Gesundheit ist mir das wert.«
    Mrs Finley gab auf. Mich fragte sie: »Was halten Sie davon, Mr Sinclair, ehrlich?«
    »Manchmal versetzt der Glaube Berge.«
    »Das ist mir zu allgemein.«
    Ich wusste das, aber warum sollten wir die Besucherin an ihrem Tun hindern?
    Die Frau ließ sich nicht beirren. »Darf ich?«, fragte sie und setzte ihren Vorsatz sofort in die Tat um. Unsere Antwort wartete sie erst gar nicht ab.
    Sehr vorsichtig betrat sie das Grab. Es war ihr nicht möglich, den Grabstein auf dem direkten Weg zu erreichen. Sie musste an zahlreichen Beigaben vorbei gehen und tat dies so vorsichtig, dass sie weder etwas berührte noch umwarf.
    Vor dem Stein blieb sie stehen. Sie drehte uns den Rücken zu.
    Trotzdem sahen wir, dass sie tief durchatmete.
    Die rechte Hand mit dem Rosenkranz streckte sie zur Seite hin aus, schwang den Arm danach wieder herum, und dann drapierte sie den Rosenkranz auf die obere Kante des Grabsteins, die breit genug dafür war.
    »Die Frau ist verrückt«, sagte Kate leise.
    »Nein, das ist sie nicht. Nur einfach dankbar. Ich denke, wir sollten das akzeptieren.«
    Damit hatte Kate Finley Probleme. »Etwa meinem Mann gegen über? Das meinen Sie doch – oder?«
    »Ja, das meine ich.«
    »Er ist tot!«
    Ich hob die Schultern. Was ich genau denken sollte, das wusste ich selbst nicht. Die Dinge waren nicht einfacher geworden, seit die ältere Frau erschienen war. Ich persönlich konnte nicht nachprüfen, ob die Menschen tatsächlich geheilt worden waren oder nicht. Entweder glaubte ich ihnen oder ließ es bleiben.
    Der Rosenkranz lag auf dem Rand des
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