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143 - Rulfan von Coellen

143 - Rulfan von Coellen

Titel: 143 - Rulfan von Coellen
Autoren: Jo Zybell
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Marienthal zurückgelassen, Vater. Die Daa’muren müssten dumm sein, wenn sie den Bunker sich selbst überlassen hätten! Und sie sind nicht dumm, das weißt du!« Er lief hinter seinem Vater her. »Sie haben mit Sicherheit getan, was wir an ihrer Stelle auch getan hätten: Marienthal zu einer Basis auszubauen! Wahrscheinlich herrschen sie längst bis in die Ruinenstädte längs der Ruhr hinein!«
    »Geh nicht, bitte.« Leonards Stimme klang plötzlich weicher, signalisierte seinen bröckelnden Widerstand. »Ich brauche dich hier, mein Sohn!« Er hätte auch sagen können: Ich habe Angst um dich, doch das sagte ein Mann wie Leonard Gabriel nicht.
    »Ich muss gehen, Vater, das bin ich mir und meinen Freunden in Coellen schuldig.«
    »Also gut«, seufzte der Prime von Salisbury. Er hatte erkannt, dass nichts auf der Welt Rulfan mehr von seinem Vorhaben abbringen konnte. »Morgen während der Octaviats-Sitzung werde ich dich offiziell beauftragen, Kontakt mit potentiellen Verbündeten am Oberlauf des Rheins aufzunehmen. Nimmst du dein Luftkissenboot?«
    »Zu auffällig. Ich werde einen kleinen Segler benutzen.«
    »Es dauert Wochen, bis du einen Segler gebaut hast!«
    Fragend und erleichtert zugleich sah Sir Leonard seinen Sohn an. »Dann brichst du also erst nach dem Winter auf?«
    »Ich breche schon in zwei Tagen auf«, sagte Rulfan. »So lange brauche ich bis zur Themse. Südlich von London liegt ein Segler vor Anker. Ich habe ihn längst von den Lords bauen lassen.« Er quittierte Sir Leonards teils verblüffte, teils indignierte Miene mit einem flüchtigen Lächeln. »Und bezahlt ist er auch schon…«
    ***
    Er hieß Paacival, und es sah nicht gut für ihn aus.
    Keine Feinde bedrohten ihn, kein missglückter Jagdzug, keine Krankheit, keine Naturkatastrophe, sondern Orguudoo selbst.
    Mit dem Kampf gegen Feinde, wilde Tiere, körperliche Schwächen und widerspenstige Naturkräfte war Paacival bestens vertraut. Nicht jedoch mit dem Kampf gegen einen Gott. Er rechnete sich keine Chance aus.
    An jenem entscheidenden Sommerabend hockte er missmutig und stumm auf seinem zu einem Bündel zusammengerafften Wildledermantel im Zentrum des Dorfplatzes. Mitten unter den Männern, Kindern und Frauen seines Stammes, und doch allein.
    Fünf Schritte hinter ihm saßen seine Brüder, Söhne und Neffen – so weit sie noch nicht oder nicht mehr zu den aktiven Jägern und Kämpfern gehörten – und seine Töchter, Nichten und Frauen. Zehn Schritte rechts von ihm hockten seine dreizehn Biglords, fünfzehn Schritte links seine über siebzig Simplords und Littlords. Alle schwiegen sie, und keiner seiner Krieger und Jäger suchte den Blickkontakt mit ihm.
    Hinter den Rücken dieser drei Gruppen, am Rand des Dorfplatzes, hatten sich die restlichen knapp zweihundert Alten, Halbwüchsigen, Kinder und Frauen versammelt. Und fünf Schritte vor ihm, zwischen einem Schlachtkessel, aus dem Blut dampfte, und der Glut eines Scheiterhaufens, lag vor dem Gerüst mit dem erschlagenen Wakudabullen der Druud wie tot in Schmutz und vom Tanz niedergetretenem Gras. Der Greis hatte gebetet, sich geschüttelt, geschrien und getanzt. Jetzt lauschte er der Stimme Orguudoos; der Stimme des Gottes, mit dem Grandlord Paacival sich angelegt hatte.
    Paacival war allein; unter all den Männern und Frauen seines Stammes allein.
    Kein Schwert hing auf seinem Rücken, kein Kampfbeil im Gurt seiner schwarzen Schnürlederhose, kein Dolch steckte unter seinem schwarzen Lederhemd. Zum ersten Mal in seinem vierundfünfzig Winter währenden Leben hockte der Grandlord als Angeklagter auf dem Dorfplatz. Mit ein bisschen Pech würde sich noch in dieser Nacht sein Blut mit dem des Geopferten im Kessel vermischen, und sein massiger Körper würde auf dem Scheiterhaufen verbrennen, wie dessen geschundener Leib in den Flammen verbrannt war.
    Der Druud begann zu zucken. Seine gespreizten Finger bohrten sich in den Boden, sein rechtes Bein zitterte. Er grunzte und krächzte, als würde er mit den Regenwürmern sprechen. Nicht mehr lange, und er würde aufstehen und behaupten, er hätte mit Orguudoo gesprochen.
    Paacival glaubte nicht, dass Orguudoo mit irgend jemandem zu sprechen pflegte. Andererseits – wusste man’s denn?
    Paacival hatte die Lieblingsfrau des Biglords Wichaads in seine Hütte und auf sein Lager gelockt. Der Woom – so hießen bei den Lords die Weiber – gefiel das, Paacivals anderen Frauen weniger, und am allerwenigsten gefiel es dem Biglord Wichaad. Der war
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