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1421 - Totenklage

1421 - Totenklage

Titel: 1421 - Totenklage
Autoren: Jason Dark
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auf der Hand. Wir mussten also weg. Zur Verfügung stand uns das Boot. Es hatte uns hergebracht, und es würde uns auch wieder zurückbringen, trotz des Einschusslochs.
    Aber war es wirklich so leicht? Ich glaubte nicht daran, und mein Freund Bill ebenfalls nicht, wenn ich seinen Gesichtsausdruck richtig interpretierte. Er hatte seine Stirn in Sorgenfalten gelegt.
    »Wann starten wir den Versuch?«, fragte er.
    Die Antwort lag mir auf der Zunge. »Ich denke, dass wir die Dunkelheit abwarten sollten.«
    Bill nickte. »Genau das habe ich auch gedacht.« Er deutete zum anderen Ufer hin. »Ich traue dem Heckenschützen nicht. Der kann eine Engelsgeduld haben, und er kennt sich hier bestimmt besser aus als wir.«
    »Dann muss er ein Einheimischer sein«, sagte ich.
    »Sicher. Nur darfst du mich danach nicht fragen. Ich kenne keinen. Im Gegensatz zu Elena.«
    »Die ebenfalls keinen Verdacht hat. Wenn es so wäre, dann hätte sie ihn uns längst mitgeteilt.«
    Die junge Frau hatte sich um uns in der vergangenen Minute nicht gekümmert. Sie wirkte sehr in sich gekehrt, schaute zu Boden, und es war nicht zu übersehen, dass sie anfing zu frieren. Sie schüttelte sich leicht und strich mit den Händen über ihre Schultern. Eigentlich war sie es, die uns weiterhelfen konnte, und wir warteten förmlich darauf, dass sich etwas bei ihr tat.
    Plötzlich hob sie den Kopf. Sie ging dabei zurück, und auf ihrem Gesicht erschien der Ausdruck, den wir kannten. Jemand musste mit ihr Kontakt aufgenommen haben.
    Ich stellte mich vor sie hin, damit sie mich anschauen konnte.
    »Sind es die Geister?«, fragte ich.
    »Ja, ja, sie melden sich wieder! Sie schreien! Sie sind böse! Ich spüre das Böse wieder, das mich auch hergetrieben hat.« Sie drehte sich auf der Stelle und ließ ihre Blicke über das nahe Wasser schweifen.
    »Es ist in der Nähe – ganz nah. Ich höre die Stimmen. Sie stecken voller Hass und Wut. Sie wollen sich rächen, immer nur Rache, und sie wollen endlich ihre Ruhe finden. Sie wollen nicht mehr weiter klagen…«
    Eine Taube hielt sich die Ohren zu. So etwas war wirklich einmalig, aber wir erlebten es hier. Es gab keinen Grund für uns, an Elenas Aussagen zu zweifeln.
    Ich ging sogar noch einen Schritt weiter. Hatte sie vorhin die Wasserfläche abgesucht, so übernahm ich das jetzt. Da uns Zombies aus dem Sumpf nicht ganz unbekannt waren, konnten wir auch hier damit rechnen, dass sie die Tiefe verließen, um das Böse in die Welt zu bringen. Getrieben von einer Macht des Teufels, würden sie sich wie ausgehungert auf das menschliche Fleisch stürzen.
    Die Luft war schwer geworden. Feucht und drückend. Dunstschwaden hatten sich an verschiedenen Stellen gebildet.
    Das Erscheinen der lebenden Leichen hätte perfekt in diese Atmosphäre hineingepasst.
    Ob ich noch eine Kugel im Magazin hatte, wusste ich nicht…
    Aber Bills Beretta war zum Glück auch mit Silberkugeln geladen.
    Bisher hatte das Wasser sehr ruhig vor uns gelegen. Von kaum einem Windstoß gestreichelt, warf es auch keine Wellen, und so fielen die ersten sofort auf.
    Die Oberfläche wurde unruhig. Erste Wellen bauten sich auf und schwappten auf die Insel zu. Und das nicht nur an einer Stelle, sondern an mehreren.
    Noch zeigte sich nichts. Aber die Spannung in uns wuchs von Sekunde zu Sekunde. Davon blieb auch Elena Davies nicht unberührt.
    Ob sie die Stimmen auch weiterhin hörte, wussten wir nicht. Aber sie fürchtete sich vor der nahen Zukunft und bewegte ihre Lippen, ohne dass sie etwas sagte.
    Urplötzlich waren sie da!
    Und das nicht nur an einer Stelle. An verschiedenen anderen öffnete sich das Wasser. Sie jagten oder spritzten nicht hervor, sie trieben hoch, aber dabei durchbrachen sie die Oberfläche schon mit einer gewissen Vehemenz.
    Besonders überrascht waren wir nicht, aber die Geschöpfe, die wir zu sehen bekamen, sahen schon schrecklich aus. Leichen, die lange in der Tiefe des Sumpfs dahingemodert waren, hatten ihre Freiheit wieder. Sie waren nicht richtig verwest, sie zeigten sich nur verändert. Die menschlichen Umrisse hatten sie beibehalten, aber Haut und Pflanzen waren eine Verbindung eingegangen. So waren die Körper mit den Pflanzenresten regelrecht überklebt, sodass auch nichts von ihren Gesichtern zu sehen war. Arme und Beine gab es noch, doch auch sie waren von nassen Schlingpflanzen und Blättern bedeckt.
    Sie waren tot, und sie lebten trotzdem. Mit recht unbeholfenen Bewegungen hielten sie sich auf der Wasserfläche, als
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