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142 - Der Bluttempel

142 - Der Bluttempel

Titel: 142 - Der Bluttempel
Autoren: Michael M. Thurner
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Angst!
    Pjotrs Interesse an Matt ließ abrupt wieder nach; sein Geist musste sich wieder auf Wanderschaft begeben haben, dorthin, wo Aruula mit den Ihren gegen die Adepten des Ordens ankämpfte.
    Dies war Matts zweite – und wohl letzte Chance.
    Er ließ sich auf die Knie fallen. Robbte vorwärts. Streckte die Hand aus. Tastete nach dem Driller.
    Pjotr erwachte für einen Moment aus seinem tranceähnlichen Zustand. »Du siehst nichts mehr«, sagte er wie beiläufig – und Matt war blind. Der Fettwanst hatte ihm gedanklich verboten, zu sehen.
    Panisch tappte er umher, suchte die Waffe. Flüssigkeit tropfte aus seinen Augen. Blut oder Tränen? Er wusste es nicht.
    Wo war bloß das verdammte Ding? Er fühlte sich so schwach, so ausgelaugt. Am liebsten hätte er sich niedergelegt und die Augen zugemacht, einfach nur geschlafen, egal, was passieren mochte…
    Schwächling!, dachte der Oberste in seine Richtung. Aber da war kein Nachdruck mehr in den Gedanken. Pjotr der Vierte wirkte angeschlagen – und überfordert.
    Der Griff der Waffe! Matt fühlte seine Kühle. Krümmte mit letzter Kraft die Finger um das Metall.
    Sterne explodierten vor seinen Augen, der Lärm der Schlacht wurde zum Raunen und Rauschen – und verstummte schließlich.
    Fast aller Sinneseindrücke beraubt lag er da, hilflos wie ein Kleinkind. Die Riffelung des Waffengriffs an den Fingern war seihne einzige Verbindung zur Außenwelt.
    Plötzlich, wie von Zauberhand, war ihm auch dieser letzte Eindruck entzogen.
    Matt verstand: er starb.
    Zu Tode gedrückt von einem wahnsinnigen Geist, der eine Nervenverbindung nach der anderen gekappt und sich an seinem verzweifelten Widerstandskampf gelabt, ihn ausgesaugt und zu Tode gedacht hatte.
    Leichtigkeit machte sich breit. Vergessen. Erleichterung.
    Friedvolle Ruhe –– die von einem gewaltigen Knall und einer Explosion aus emotioneller Urgewalt abgewürgt wurde.
    Langsam und unter großen Schmerzen kehrten Sinneseindrücke zurück. Matts Augen waren verklebt, sein Leib zitterte unter einer glitschigen Masse. Eine Übelkeit erregende Mischung an Gerüchen überlagerte alle anderen Empfindungen. Es war wie eine Wiedergeburt unter den widerlichsten Umständen.
    Müde, unendlich müde begann er zu sehen.
    Aruula, verfolgt vom Schlangenhändler Sirhissov und mehreren Bauern aus Staritsa, kam in die Kaverne des Obersten gestürmt. Sie blickte mit jener Mischung aus Kaltblütigkeit und beherrschtem Zorn umher, die sie im Kampf ausmachten. Beinahe beiläufig wehrte die Barbarin die beiden letzen Adepten ab, kam auf ihn zugestürmt, die Waffe wachsam erhoben.
    »Es ist vorbei«, sagte sie.
    Redete sie mit ihm? Wo war der Oberste?
    »Gib mir das«, forderte Aruula jemanden auf, der sich hinter ihm befinden musste.
    Mühselig und gegen enormen innerlichen Widerstand drehte Matt sich beiseite.
    Geritsa stand wie versteinert da, den Driller mit beiden Händen fest umklammert. Sie zielte dorthin, wo der Oberste gelegen hatte.
    Aruula wand der geschockten Sklavin behutsam die Waffe aus der Hand, umarmte sie beruhigend und führte sie zu der kleinen Gruppe Staritsaner.
    Eine graumelierte Frau mit blutenden Schnittwunden an den Oberschenkeln kam soeben auf einem Stock hereingehumpelt.
    »Geritsa!«, hauchte sie, umarmte das junge Mädchen mit dem zerstörten Gesicht. Herzte, umarmte, liebkoste sie…
    »Wo issd… wo ist…« Nur mühsam brachte Matt sinnvolle Laute hervor. Seine Zunge fühlte sich wie ein Fremdkörper an.
    »… der Oberste?«, fragte Aruula, die sich endlich um ihn kümmerte. Behutsam wischte ihm die Barbarin undefinierbare, hellrote Fetzen aus dem Gesicht. »Rund um dich, würde ich mal sagen. In einem Zustand, in dem er niemandem mehr etwas antun kann.«
    Sie half ihm hoch, und nach einigen Versuchen schaffte er es tatsächlich, auf den Beinen zu bleiben. »Es ist vorbei!«, wiederholte Aruula in Richtung der Bauern, und Jubel antwortete ihr. Überall lagen sich Männer und Frauen in den Armen. Erleichtert und erschöpft und noch keineswegs so weit, das zu erfassen, was sie vollbracht hatten.
    »Findet eure Töchter und Söhne!«, sagte Aruula. »Nehmt sie und verlasst diesen Ort des Grauens so rasch wie möglich.«
    Und, leiser, an Matt gewandt: »Wir beide hingegen werden uns einen Platz suchen, an dem wir uns so gründlich wie möglich reinigen können.«
    »Einen Moment noch!«, bat Matt. Mit jedem Moment fühlte er sich besser, von ungeheurem Druck befreit. Er blickte umher, watete durch die
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