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142 - Der Bluttempel

142 - Der Bluttempel

Titel: 142 - Der Bluttempel
Autoren: Michael M. Thurner
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wurde weiter getragen, wurde lauter, wurde zum Schrei. »Die Heilige lebt!«
    »Ja – ich lebe, und ich will euch helfen.«
    Feuchtes Geäst entflammte überraschend zu Füßen der Babooshka, bildete eine dicke Wolke, aus der sich die Grimassen alter Götter zu bilden schienen. Schauerliches Geheul ertönte, während der Rauch über den Platz zog und die Menschen einhüllte.
    »Lange habe ich zugesehen und das wachsende Leid in euren Gebeten gespürt. Niemals seid ihr vom wahren Glauben abgefallen. Das hat mich bewegt und den Entschluss reifen lassen, das Leid von euch zu nehmen.«
    Pause.
    Dann: »Ich mag eure Schutzheilige sein, aber ich kann nur denjenigen helfen, die bereit sind, selbst mit all ihrer Kraft gegen das Böse anzutreten. Seid ihr das?«
    Verhaltener Jubel brach aus.
    »Was soll das bedeuten: Wir müssen selbst gegen das Böse antreten?«, fragte der Häuptling zaghaft und kratzte ratlos über seine hohe Stirn.
    »Ich werde an eurer Seite sein, wenn ihr gegen die Wurzel alles Bösen ankämpft. Der Tempel der Noskopzen muss gereinigt, die Gefangenen und Sklaven müssen befreit werden!«
    »Das schaffen wir niemals!«, rief eine Frau mit frühzeitig ergrautem Haar verzweifelt. »Das Tor des Tempels ist verschlossen. Die Dämonenwesen besitzen Waffen. Sie wissen damit umzugehen. Sie kämpfen im Dunkeln, als wäre es helllichter Tag!«
    »Mit euren Fackeln werdet ihr in den Bluttempel eindringen und euch selbst Licht machen. Und im Kampf werdet ihr Hilfe erhalten von meiner treuen Dienerin. Sie wartet bereits am Tor zur Unterwelt auf euch!«
    »Das ist doch Wahnsinn!«, klagte jemand. »Warum verlangt uns die Schutzheilige dies ab? Wir sind doch nur einfache Bauern, keine Krieger!«
    Ängstliches Raunen wehte über den Platz.
    »Seid ihr Menschen oder Schlachtvieh?!«, ertönte wieder die Stimme der Babooshka. »Heute wird sich euer Schicksal entscheiden! Kämpft um eure Freiheit und für ein besseres Leben, und ich werde bei euch sein!«
    »Sie hat Recht!«, übertönte mit einem Mal die grauhaarige Frau alle anderen. »Kann es denn noch schlimmer werden, als es ohnehin schon ist? Wir verhungern, haben unseren letzten Rock an den dreimal verfluchten Vogelhändler verpfändet, und eine ganze Generation unserer Kinder stirbt unter Qualen in den Höhlen zu unseren Füßen. Ich gehe jetzt und kämpfe um das Leben meiner Tochter Geritsa!« Sie packte einen langen Holzstock und ging forschen Schrittes los.
    Langsam, zögerlich schlossen sich weitere Frauen an. Mit wenig oder gar nichts in den Händen, aber mit einem grimmigen Ausdruck auf dem Gesicht – und Zorn im Herzen.
    »So soll es sein!«, rief schließlich der Häuptling mit zitternder Stimme, nachdem ihm seine Mutter mehrmals ihren Gehstock in den Rücken gestoßen hatte. »Bewaffnet euch, tapfere Männer und Frauen. Sprecht ein letztes Gebet an die Heilige Babooshka…« Er wurde bleich. Der Rauch vor der Statue hatte sich verzogen. »Seht, die Roosas! Sie sind verdorrt!«
    Traurig ließen die Blumen ihre Blätter hängen, während die Blütenkelche verschrumpelt waren.
    »Meine wilden Blumen werden erst dann wieder leuchten, wenn die Einwohner von Staritsa ihre Tapferkeit wieder gefunden haben!«, rief die hohle Stimme. »Wer kämpfen kann, der kämpfe! Wer zurück bleibt, weil er zu jung oder zu schwach ist, der bete in den Hütten! So will es die Babooshka!«
    ***
    Es dauerte keine Minute, bis der Dorfplatz wie leergefegt war.
    Nur wenige Kinder und Greise bleiben zurück, und die verzogen sich wie befohlen in ihre Hütten, um sich ins Gebet zu versenken.
    Sirhissov wartete noch eine weitere Minute, bevor er zur Babooshka hinüber huschte und leise dagegen klopfte. »Die Luft ist rein!«
    Ein Spalt entstand um den Bauch der großen Holzpuppe, der sich schnell verbreiterte. »Das hat bestens geklappt!«, sagte Aruula, als sie aus der Babooshka stieg. »Maddrax’ Plan war ausgezeichnet.«
    »Selbst die Dorfbewohner haben nicht gewusst, dass die Babooshka innen hohl ist«, sagte Sirhissov kopfschüttelnd.
    »Wir müssen nur anschließend die kleineren Ebenbilder, die in ihr gesteckt haben, zurück bringen.«
    »Sofern es ein anschließend gibt«, sagte Aruula grimmig.
    Die Barbarin fühlte sich nicht besonders wohl. Sie nutzte die Ängste und Gefühle der Einwohner von Staritsa aus und trieb mit dem Glauben an eine unbekannte Gottheit ein hässliches Spiel. Hoffentlich strafte sie Wudan nicht für diesen Frevel.
    Andererseits – nur im Wissen,
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