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142 - Der Bluttempel

142 - Der Bluttempel

Titel: 142 - Der Bluttempel
Autoren: Michael M. Thurner
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auf den Dreizehn Inseln.«
    »Sehr passend für die Nosfera«, grinste Matt. »Bislang hat sich Erzvater nicht allzu viel um die Barbaren der Stadt geschert.«
    »Vielleicht hat sich etwas geändert? Vielleicht gelüstet ihn nach mehr Macht und Einfluss?«
    »Der Zaritsch heißt Mr. Black. Die Bürger wissen nur allzu gut, was sie ihm zu verdanken haben.«
    »Die Erinnerung eines Menschen reicht gerade mal bis zur letzten Mahlzeit«, erwiderte Aruula, ohne dabei ihre wie steinern wirkende Position zu verändern, »und wird zudem vom Gedanken auf das nächste Essen getrübt.«
    »Ist das auch ein weiser Spruch aus deiner Heimat? Hast du noch mehr davon auf Lager, um mich nervös zu machen?«
    »Natürlich«, antwortete die Barbarin. »Was hältst du davon: ›Die kluge Frau kann das Gedächtnis eines Mannes durch kräftiges fegaashaa wesentlich verkürzen.‹«
    »Das musst du beweisen!«
    »Später.« Aruula grinste von einem Ohr zum anderen. »Er kommt!«
    Erst war es Gemurmel, weiter getragen durch unzählige Münder. Dann schwollen die Stimmen an, wurden lauter und lauter – ohne allerdings in die üblichen Hochrufe zu wechseln, mit denen Mr. Black empfangen wurde, wann immer er sich auf den Straßen Moskas blicken ließ.
    »Die Barbaren fürchten und achten Erzvater«, stellte Matt fest, »aber sie lieben ihn nicht.«
    »Gib ihnen ein paar Geschenke, und sie brüllen auch für ihn.«
    Die Gasse der Schaulustigen verbreiterte sich ein wenig.
    Zwei in purpurrot gehüllte Degenmeister, bis zur Nasenspitze hin vermummt, marschierten vorneweg. Ihre Klingen hielten sie gekreuzt und bildeten so die Insignien des Bluttempler-Ordens. Dahinter folgten bereits die vier Träger mit der geschulterten Sänfte. Im Gleichschritt marschierten sie und behielten dabei ihre Oberkörper auffallend ruhig, um die wertvolle Fracht im Inneren des reichlich verzierten Holzkastens nur ja nicht zu sehr hin und her zu schaukeln.
    In gehörigem Abstand folgten vier weitere Degenmeister und ein Trommler, alle ähnlich gekleidet wie jene an der Spitze des kleinen Zuges. Das monotone, fast hypnotisierend wirkende »Bomm-bomm-bomm« begleitete jeden Schritt der Sänftenträger – bis sie das Versammlungszelt mit dem kleinen Baldachin erreicht hatten. Abrupt verklang das letzte »Bomm«, und ebenso abrupt verstummten alle Geräusche auf dem Toten Platz, der zu früheren Zeiten einmal »Roter Platz« geheißen hatte.
    Krächzendes Husten erklang, dann das Rascheln feinen Stoffes. Der seitliche Vorhang der Sänfte hob sich, von dürren Fingern beiseite geschoben. Hoch aufgerichtet, mit weit nach innen geschlagener Kapuze stieg der alte Mann aus seiner Sänfte.
    »Erweist Erzvater die Ehre!«, riefen die beiden vorderen Degenmeister und reckten ihre Waffen in den Nachthimmel Moskas.
    Aus der Nähe konnte Matt sie unter ihren Kapuzen erkennen. Es handelte sich um Radek und Rraal, zwei der engsten Vertrauten des Anführers der Nosfera. Er nickte ihnen kurz zu.
    »Seine Heiligkeit!«, sagte plötzlich ein einfacher Nosfera unweit der Sänfte und warf sich flach zu Boden. Andere seiner Art, aber auch einfache Barbaren, taten es ihm gleich.
    Die meisten Zuseher des merkwürdigen Schauspiels jedoch blickten zu Matt, warteten seine Reaktion ab.
    »Neige unter keinen Umständen dein Haupt!«, riet ihm Aruula leise. »Der Sohn der Finsternis darf sich vor niemandem beugen, nicht einmal vor Erzvater.«
    »Keine Sorge«, antwortete Matt. »Diese Spielchen kenne ich schon zur Genüge.«
    Die große Masse der Wartenden folgte seinem Beispiel.
    Einerseits hatten die Menschen gehörigen Respekt vor Erzvater und seinen Truppen. Man ahnte oder wusste um deren übermenschlich anmutende Fähigkeiten des Gedankenlesens; auch ihre Schnelligkeit und Geschicklichkeit im Umgang mit Waffen war bekannt. Andererseits graute den meisten Barbaren vor den merkwürdigen Wesen, die Blut trinken mussten, um ihre genetisch bedingte Krankheit im Zaum zu halten.
    »Es ist schön, dir wieder zu begegnen, Sohn der Finsternis!«, sagte Erzvater mit voller Stimme, die keinesfalls zu seiner hinfälligen Gestalt passte. »Murrnaus Geist hat dich gut beschützt.«
    »Ich verlasse mich in erster Linie auf den Verstand, meine beiden Hände und gute Freunde«, erwiderte Matt höflich lächelnd. »Wenn auch noch Murrnau seinen Segen dazu spricht, bin ich’s zufrieden.«
    Es waren diplomatische Worte, eher an die Zuhörer als an Erzvater gerichtet, aus denen jedermann das herauslesen konnte,
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