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1412 - Die Hellseherin

1412 - Die Hellseherin

Titel: 1412 - Die Hellseherin
Autoren: Jason Dark
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zögern durften. Nur mussten wir erst mal die Stelle finden, die es uns erlaubte, durch den Vorhang zu schlüpfen. Und wir durften das Hindernis nicht zu stark bewegen, es wäre zu leicht auf der anderen Seite aufgefallen.
    Glenda fand die Lücke im Vorhang. Ich hörte sie leises Zischen und wusste Bescheid. Schnell war ich bei ihr. Sie deutete auf den schmalen Spalt, den sie geöffnet hatte.
    Noch war die Lücke nicht so groß, als dass wir einen Blick auf die andere Seite des Vorhang hätten werfen können. Glenda überließ es mir, sie weiter zu öffnen.
    Das tat ich, und ich war verdammt nervös dabei. Danach aber änderte sich alles.
    Ich hatte den Eindruck, auf eine Bühne zu blicken, auf der ein Drama ablief…
    ***
    Auch Dagmar Hansen hatte den Befehl des Hypnotiseurs gehört.
    Schon zuvor war ihr die Zeit gegeben worden, sich innerlich auf ein tödliches Drama einzustellen, doch jetzt, als es soweit war, schossen Angst und Panik in ihr hoch.
    Die Situation schien endgültig. Es gab keine Chance mehr. Auch Flucht war unmöglich, denn der Weg zur Tür war einfach zu weit.
    Zudem wollte sie trotz allem ihren Partner nicht im Stich lassen.
    Also blieb sie stehen. Sie wartete auf ihn und hielt den Blick dabei auf die Klinge gerichtet. Die Spitze wies auf ihren Körper, aber nicht direkt auf eine Stelle, denn sie wippte leicht hin und her. Manchmal zeigte sie mehr zum Hals hin, dann wieder weiter nach unten und zielte auf ihre Brust.
    Harry ging nicht sehr schnell. Er ließ sich Zeit. Schien jeden Schritt, den er zurücklegte, zu genießen, und in seinem Gesicht las Dagmar eine fürcherliche Entschlossenheit.
    Die Hellseherin griff nicht ein. Wie eine Statue stand sie sich im Hintergrund und schien auf neue Befehle des Hypnotiseurs zu warten.
    Dagmar überlegte fieberhaft, wie sie sich der lebensgefährlichen Situation entziehen konnte. Durch ihren Kopf rasten die Gedanken.
    Das Blut war aus ihrem Gesicht gewichen, und so stand sie totenblass vor dem näherkommenden Harry Stahl.
    Er sah keine Veranlassung, sie anzusprechen. Wenn sie sein Gesicht genauer anschaute, dann überkam sie der Eindruck, in die leblose Fratze eines Zombies zu schauen. Er bewegte sich tatsächlich so. Setzte einen Fuß vor den anderen und blieb bei seinen kleinen Schritten. Der Tod näherte sich immer mehr, und Dagmar sah nur noch eine Möglichkeit.
    Sie musste einfach die Kraft finden, die Hypnose zu überwinden.
    Alles andere zählte nicht. Sie setzte dabei auf ihre Liebe, auf dieses ewige Gefühl des Menschen, das bisher keine Tyrannei hatten vernichten können, und so sprach sie ihn an.
    »Harry!«
    Er hörte sie. Er musste sie einfach gehört haben. Sie wartete darauf, dass er zögerte, aber er ging weiter, und in seinem Gesicht hatte sie auch keine Reaktion erlebt.
    Zugleich sah sie, dass ihr Harry bedrohlich nahe gekommen war.
    Wenn die Hand mit der Waffe jetzt vorrückte, würde die Spitze sie erwischen.
    Sie ging zurück.
    Luft bekam sie nach diesen beiden schnellen Schritten. Und wieder rasten die Gedanken durch ihr Gehirn. Sie suchte nach einer Möglichkeit, Harry von seinem Vorhaben abzubringen, aber es fiel ihr nichts ein.
    »Bitte, Harry. Du weißt doch, wer ich bin. Du kannst mich nicht töten. Töte nicht das, was du liebst…«
    Er hörte ihr nicht zu!
    Er war ein Roboter, den so leicht nichts stoppen konnte. Er setzte seinen Weg fort. Eiskalt würde er die Person umbringen, die er bisher so geliebt hatte.
    Noch einmal versuchte sie es. Für Dagmar Hansen war es so etwas wie ein letzter Versuch. Sie redete ihn jedoch nicht mehr an, sondern wollte in etwa den gleichen Weg einschlagen, den auch der verfluchte Saladin gegangen war.
    Blicke!
    Vielleicht konnte ein Blick etwas ändern. Es gab doch auch die geistige Verbindung zwischen ihnen. Auch so ließ sich Liebe definieren.
    Sie schauten sich an.
    Zumindest Dagmar tat es. Vor sich im Gesicht ihres Partners sah sie nur das starre Augenpaar, das nicht bereit war, eine Botschaft zu empfangen.
    Noch nie zuvor hatte sich Dagmar Hansen so angestrengt. Zumindest konnte sie sich nicht daran erinnern. Die anderen Personen gab es für sie nicht mehr. Es war, als wäre sie allein mit Harry im Zimmer. Die harte Anstrengung malte sich auch in ihrem Gesicht ab, denn es verlor seine Glätte und wurde zu einer Grimasse.
    Sie sprach ihn nicht mehr an und hätte es auch nicht gekonnt, denn in diesen entscheidenden Augenblicken überkam sie etwas ganz anderes. Eine ungewöhnliche Kraft,
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