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14 - Roman

14 - Roman

Titel: 14 - Roman
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Relief die Namen BORNE - SÈZE eingraviert waren. Weiter unten, an der Tür, hing ein Schild, worauf die Worte Wir stellen ein zu lesen waren. In dieser Fabrik wurden Schuhe hergestellt.
    Schuhe aller Art: Herren-, Damen- und Kinderschuhe, Stiefel, Halbstiefel und Stiefeletten, Derbys und Halbschuhe, Sandalen und Mokassins, Hausschuhe, Pantoffeln und Schlappen, orthopädische Modelle und Arbeitsschuhe, bis hin zum kürzlich erfundenen Snow-Boot, nicht zu vergessen den Soldatenstiefel, genannt nach seinem ersten Hersteller Godillot , jenem Fabrikanten, der unter anderen Wunderdingen den Unterschied zwischen dem rechten und dem linken Fuß entdeckt hatte. Alles für die untersten Extremitäten bei Borne-Sèze: von der Galosche bis zu den Pumps, vom Bundschuh bis zum Pfennigabsatz.
    Sich auf ihren eigenen Absätzen drehend, umrundete Blanche die Fabrik und ging zu einem kleinen Haus aus demselben Backstein, das zu den Wirtschaftsgebäuden des Unternehmens zu gehören schien. Dr. Monteil, so stand es auf einer Kupferplatte unter dem Türklopfer: Kaum hat sie angeklopft, da erscheint auch schon dieser recht große, gebeugte Allgemeinarzt mit rot geädertem Gesicht, grau gekleidet, hinreichend deutlich über den fünfzig, dass er – haarscharf über der Altersgrenze der Landwehr – der Mobilmachung gerade so entkommen war. Als langjähriger Hausarzt der Bornes hatte Monteil seine private Klientel reduziert, als Eugène ihm anbot, sich um die Fabrik zu kümmern – Auswahl und Beratung der Arbeiter bei der Anstellung, Erste Hilfe und allgemeine Sprechstunde, gelegentliche Unterweisung in industrieller Hygiene –, wobei er aber der Privatarzt der Bornes und dreier weiterer örtlicher Dynastien blieb, andererseits aber auch einen Sitz im Stadtrat innehatte und nicht wenig Leute kannte: Bekanntschaften hier und da, bis nach Paris. Er war Blanche seit ihren Kinderkrankheiten vertraut, so sehr, dass sie ihn in seinen zwei Funktionen aufsuchte, als Allgemeinarzt und als Politiker.
    Mit dem Politiker sprach sie über Charles, der mit den anderen Richtung Grenze aufgebrochen war, man wusste nicht recht, wohin genau. Sie regte eine Fürsprache an, äußerte die Hoffnung, es könne sich eine andere dienstliche Verwendung finden lassen als bei der Infanterie, Monteil bat sie, das noch ein wenig zu erläutern. Nun ja, schilderte Blanche, neben der Fabrik, der er all seine Zeit widmet, interessiert Charles sich sehr für Luftfahrt und Fotografie. Aha, meinte Monteil, vielleicht ließe sich in der Richtung etwas machen. Die Luftschiffertruppen, ich glaube, so nennt man das jetzt. Ich denke mal darüber nach, ich wüsste da jemanden im Ministerium, ich halte Sie auf dem Laufenden.
    Dann trug sie dem Allgemeinarzt ihren Fall vor, zeigte ihm ihren Leib unter der Kleidung, und die Untersuchung war schnell erledigt. Abtasten, zwei Fragen, Diagnose: Nicht der Schatten eines Zweifels, erklärte Monteil, Sie sind es. Und wann, fragte Blanche. Anfang nächsten Jahres, schätzte Monteil, so auf den ersten Blick würde ich sagen, Ende Januar. Blanche sagte nichts, sie schaute zum Fenster – hinter dessen Scheibe nichts vorbeikam, nicht mal ein Vögelchen, nichts –, dann auf ihre Hände, die sie sich auf den Leib gelegt hatte. Und Sie wollen es behalten, natürlich, nahm Monteil an, um das Schweigen zu verkürzen. Ich weiß noch nicht, sagte Blanche. Falls nicht, der Arzt sprach mit gesenkter Stimme, gibt es immer einen Weg. Ich weiß, sagte Blanche, Ruffier. Ja, sagte Monteil, das heißt, nicht mehr seit neulich, er ist ja weg wie alle anderen, aber das ist eine Sache von zwei Wochen, das ist schnell erledigt. Und wenn nicht, kann sich immer noch seine Frau darum kümmern. Erneute Stille, dann sagte Blanche, nein, ich glaube, ich behalte es.

6
    E ine Sache von zwei Wochen, das hatte ja auch Charles geschätzt, vor drei Monaten in der Augustsonne. Auch Monteil hatte es danach noch geglaubt, wie so viele andere. Nur dass zwei Wochen später, drei Wochen später, nach weiteren Wochen und abermals weiteren, als es anfing zu regnen und die Tage immer kürzer wurden und immer kälter, die Dinge sich durchaus nicht so entwickelten wie angenommen.
    Freilich, am Morgen nach ihrer Ankunft in den Ardennen hatte sich alles gar nicht so übel angelassen. Man durfte sich nicht beklagen, dass es etwas frischer war als in der Vendée, die Luft war rein und belebend, man fühlte sich eher ganz wohl. Allerdings musste man morgens den Waffenappell über sich
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