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14 - Roman

14 - Roman

Titel: 14 - Roman
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Die Dimensionen der Stadt, aus der die Männer wie pneumatisch abgesaugt wurden, scheinen erweitert: Abgesehen von den Frauen sieht Blanche nur Greise und Kinder, deren Schritte wie in einem zu großen Anzug hohl hallen.

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    U nd es war auch gar nicht so schlecht gewesen, im Zug, abgesehen von der Unbequemlichkeit. Am Boden sitzend futterten sie die Vorräte auf, sangen alle möglichen Lieder, bespien Wilhelm II . und tranken nach wie vor nicht nur einen, sondern viele. In den rund zwanzig Bahnhöfen, wo gehalten wurde, durften sie nicht aussteigen, um einen Blick auf die jeweiligen Städte zu werfen, wenigstens aber hatten sie dank der herablassbaren Fenster, durch die die allzu warme, fast körperliche, von Flugasche durchsetzte Luft kam – eine Hitze, von der sich nicht mehr sagen ließ, ob sie am August lag oder von der Lokomotive stammte, wahrscheinlich überlagerte sich beides –, einige Flugzeuge sehen können. Manche zogen in verschiedenen Höhen über den blitzblanken Himmel, folgten oder kreuzten einander ohne erkennbaren Zweck, andere standen, von Männern mit Lederhauben umgeben, etwas durcheinander auf beschlagnahmten Feldern herum, an denen der Zug entlangfuhr.
    Sie hatten von diesen zerbrechlich aussehenden Flugmaschinen schon reden hören und auch Fotos von ihnen in der Zeitung gesehen, doch noch keines in Wirklichkeit, außer natürlich Charles, der immer bei allem auf dem Laufenden war, der sogar mehrmals in welchen gesessen hatte – oder eher auf welchen, da es noch kein Cockpit gab – und den Anthime, ohne ihn zu finden, mit seinen Blicken im Waggon suchte. Da die Landschaft dann unter Mangel an Attraktionen litt, wandte er sich von dem Ausblick ab und suchte nach einem Mittel, um die Zeit totzuschlagen. Karten schienen dafür geeignet zu sein: Gemeinsam mit Bossis und Padioleau – Arcenel war immer noch allzu sehr hinterrücks geplagt, um sich anzuschließen – konnte Anthime eine Ecke herrichten, um unter den bald leeren, mit ihren Gurten an Haken baumelnden Feldflaschen eine Manille zu spielen.
    Da das Spiel zu dritt schwierig wurde, Padioleau einschlief und Bossis selbst auch schon schwankte, beendete Anthime die Partie und beschloss, die benachbarten Wagen zu erkunden, halbherzig auch auf der Suche nach Charles, ohne rechte Lust, ihn zu sehen, er ahnte, wie er allein in einer Ecke saß, stets auf seine Nächsten herabblickend, wenn auch gezwungenermaßen von ihnen umgeben. Doch ganz anders: Irgendwann entdeckte er ihn, bequem in einem Wagen mit Sitzen eingerichtet, nah bei einem Fenster, wie er die Landschaft fotografierte, in Begleitung eines Grüppchens von Unteroffizieren, die er ebenfalls porträtierte und deren Adressen er dann aufschrieb, um ihnen später Abzüge schicken zu können. Anthime entfernte sich wieder.
    In den Ardennen, kaum aus dem Zug ausgestiegen, hatten sie nur wenig Zeit, sich an diese neue Landschaft zu gewöhnen – ohne auch nur den Namen des Dorfes zu kennen, in dem sie als Erstes Quartier bezogen, noch zu wissen, wie lange sie hier bleiben würden –, da ließen die Feldwebel die Männer in Linie antreten, dann hielt der Hauptmann zu Füßen des Kreuzes auf dem Marktplatz eine Ansprache. Sie waren ziemlich müde, sie hatten nicht einmal mehr Lust, leise Witze zu machen, aber sie hörten sie sich trotzdem in Habtachtstellung an und betrachteten dabei die Bäume, eine Art, die sie noch nie gesehen hatten, die Vögel auf diesen Bäumen stimmten sich aufeinander ein und schickten sich an, den Abend einzuläuten.
    Dieser Hauptmann namens Vayssière war ein schmächtiger junger Mann mit Monokel, merkwürdig rotgesichtig und mit einer kraftlosen Stimme, den Anthime noch nie gesehen hatte und dessen Morphologie wenig Aufschluss darüber gab, wie und woher bei ihm eine Berufung zum Kriegerischen hatte entstehen und sich entwickeln können. Ihr werdet allesamt wieder nach Hause kommen, versprach Hauptmann Vayssière ausdrücklich, indem er seine Stimme mit aller Kraft anschwellen ließ. Ja, wir werden alle wieder in die Vendée zurückkommen. Eines aber ist wichtig. Wenn im Krieg doch ein paar Mann sterben, dann wegen mangelnder Hygiene. Nicht die Kugeln töten, sondern die Unsauberkeit ist fatal, sie heißt es in erster Linie zu bekämpfen. Also, wascht euch, rasiert euch, kämmt euch ordentlich, dann habt ihr nichts zu befürchten.
    Als man sich nach dieser Darlegung wieder rührte, fand Anthime sich in der allgemeinen Bewegung unversehens neben Charles wieder, nahe
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