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14 - Roman

14 - Roman

Titel: 14 - Roman
Autoren: Carl Hanser Verlag
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auf seine Weise, sehr für Tiere, hatten schon viele gesehen und sollten nicht wenigen weiteren begegnen.
    Wie alle Frühankömmlinge ergatterten sie eine Uniform in ihrer Kleidergröße, während Charles, der verspätet gegen Mittag eintraf, unnahbar und gleichgültig wie gehabt, zunächst eine schlechtsitzende Kluft verpasst bekam. Da er aber voller Verachtung protestierte und arrogant eine ganze Geschichte vorbrachte, sich auf seinen Status als Vizedirektor einer Fabrik berief, wurden anderen – nämlich Bossis ebenso wie Padioleau – einzelne Teile wieder abgenommen, ein Kapuzenmantel und eine rote Hose, die dem feinen Herrn zu konvenieren schienen, trotz seiner leicht angewiderten, distanzierten Miene. Padioleau wurde dank dieses Verfahrens verwirrt von seinem Mantel umflattert, während Bossis sich in der Zeit, die ihm noch zu leben blieb, nicht mehr an diese Hose gewöhnen würde.
    Anthime, ein mittelgroßer Rekrut mit unauffälligem, selten lächelndem Gesicht, in dem der Schnurrbart wie ein Balken stand wie bei mehr oder weniger allen Männern seiner Generation, dreiundzwanzig Jahre alt, sah in seiner Uniform nicht stattlicher aus als in seinem alltäglichen Arbeitsanzug; und er erwog kurz, zu Charles hinzugehen und ihn anzusprechen – zu Charles, seinerseits siebenundzwanzig, nicht weniger schnurrbärtig und ausdruckslos, aber schneidiger, größer, ranker, mit einem gelassenen, kalten Blick auf die Welt; der mehr als je darauf bedacht schien, Kontakt zu vermeiden und niemanden von geringerem Rang auch nur anzusehen, also jedenfalls Anthime schon mal nicht. Dieser verzichtete dann auch lieber darauf und ging zu seinen Freunden zurück, und sei es, um Bossis zuzureden, der gegen seine Hose pestete. Als er sich doch noch einmal nach Charles umdrehte, sah Anthime ihn eine Zigarre aus dem Etui ziehen, das er dann gerade wieder in die Tasche stecken wollte, als er sich besann und eine zweite herausnahm, um sie diskret dem nächststehenden Offizier anzubieten. Dann sah er ihn diesen Offizier fotografieren, so, wie er seit Monaten alles in seiner Reichweite fotografierte und sich in dieser Praxis so weit vervollkommnete, dass man seit kurzem manche seiner Fotos in Zeitschriften wie Le Miroir und L’Illustration sehen konnte, die auch Amateurfotos veröffentlichten.
    An den Folgetagen ging in der Kaserne alles ziemlich schnell. Nach Ankunft der letzten Reservisten stießen Angehörige der Landwehr dazu, ältere Kerle von vierundvierzig bis neunundvierzig Jahren, die man sogleich zwang, die eine oder andere Runde auszugeben, und um die Wahrheit zu sagen, folgten diese Runden von Montag bis Donnerstag recht dicht aufeinander: Später abends war keiner mehr so ganz frisch. Dann nahm alles eine etwas ernstere Wendung, als die Korporalschaften gebildet wurden: Anthime sah sich der 10. Korporalschaft der 10. Kompanie zugeteilt und damit in steigender Reihenfolge dem 93. Infanterieregiment, der 42. Brigade, der 21. Infanteriedivision, dem 11. Korps der 5. Armee. Erkennungsmarke 4221. Munition wurde verteilt, ebenso die Reserverationen, und am Abend dieses Tages tranken alle noch mal ordentlich. Am Tag danach erst begann man, sich als Soldat zu fühlen: Morgens absolvierte das Regiment einen ersten Marsch, dann nahm der Oberst auf dem Exerzierplatz eine Truppenparade ab, wonach alle am Nachmittag durch die Stadt defilierten; am nächsten Morgen sollte der Zug fahren.
    Dieses Defilee war ziemlich fröhlich, alle hielten sie sich schön aufrecht in ihren Uniformen und bemühten sich, geradeaus zu schauen. Das 93. schritt die Avenue entlang, dann die Hauptstraßen der Stadt; an deren Rändern drängte sich die Bevölkerung und geizte nicht mit Applaus, Blütenregen und anfeuernden Zurufen. Charles war es natürlich gelungen, ganz vorn bei der Truppe mitzulaufen, Anthime folgte auf der Hälfte des Regiments, umgeben von Bossis, der sich in dem Kleidungsstück immer noch unbehaglich fühlte, Arcenel, der unaufhörlich meckerte, und Padioleau, dessen Mutter noch Zeit gefunden hatte, den Kapuzenmantel an den Schultern enger zu machen und die Ärmel zu kürzen. Während er halblaut mit den anderen scherzend einhermarschierte, dabei dennoch versuchte, den Schritt stolz zu bemessen, meinte Anthime, er habe kurz Blanche erspähen können, auf dem linken Bürgersteig an der Avenue. Erst dachte er, es handle sich nur um eine Ähnlichkeit, aber nein, sie war es, Blanche, wie in Festtagskleidung, mit leichtem rosa Rock und
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