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1352 - Die schwarzen Schiffe

Titel: 1352 - Die schwarzen Schiffe
Autoren: Unbekannt
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vorgehaltenem Scheinwerfer zwängte sich die Springerin hinein. Das Baumhaus barg nicht mehr als einen einzigen großen Raum. Hölzerne Streben verliefen in sonderbaren Winkeln von Wand zu Wand, und ein paar kräftige Holme durchzogen von oben nach unten den Innenraum. An vielen Stellen fanden sich abgeteilte Separees, wo auch der einzelne Kekkerek offenbar Ruhe hatte finden können.
    All das ließ auf ein entwickeltes Gemeinschaftswesen schließen, und darüber hinaus auf geübten Umgang mit denjenigen Materialien, die für das Baumhaus verwendet worden waren. Man würde die Kekkerek höher einstufen müssen, überlegte Nerva-Than. Das Prädikat „halbintelligent" traf nicht.
    Vielmehr handelte es sich hier um einen zivilisatorischen Ansatz, der planvoller Förderung wert war.
    Nun erst gewöhnten sich die Augen der Springerin an das Halbdunkel. Sie erkannte kleine, uneinheitlich geformte Knäuel am Boden der Behausung. Es waren Kekkerek, reglose Kekkerek ... Mit einem Mal wurde ihr klar, daß die Affenartigen tot waren. Der Blitz hatte sie im Schlaf überrascht und getötet. In ein paar Stunden würden Bakterien ihre Körper angreifen und zu zersetzen beginnen.
    Nerva-Than traf eine Entscheidung. Einem plötzlichen Impuls folgend, griff sie den nächsten Leichnam, bugsierte ihn vor sich her und schwebte damit zu Boden. So verfuhr sie auch mit den übrigen Toten, bis sie das Baumhaus freigeräumt hatte. Im Tageslicht boten die verbrannten Kekkerek einen erbärmlichen Anblick. „Menschenfrau!"
    Sie fuhr auf. Vor ihr standen zwei Dutzend Kekkerek, als habe der Erdboden sie ausgespien. Nerva-Than registrierte erstaunt die korrekte Aussprache des Interkosmo-Wortes und die freundlichen Mienen der Affenartigen. „Die Toten ... thekeih ... Wir danken, daß du sie aus dem Haus des Todes befreit."
    Der holprige Tonfall der Kekkerek störte sie ganz und gar nicht. Weshalb hatte man ihnen lediglich einen Status halb zwischen Tier und Intelligenzwesen zugebilligt? Dieses Urteil würden die Hanse-Leute revidieren müssen. Kein halbes Tier war imstande, sich mit Interkosmo zu verständigen - selbst wenn es an der Grammatik noch fehlte. Ein kleiner Kekkerek trat leise schnatternd vor und berührte zwei der Toten mit scheu ausgestreckten Fingern. Nerva-Than begriff, daß es sich um seine Eltern gehandelt hatte, daß der Kleine nur durch Zufall noch am Leben war.
    Erst später sollte sie erfahren, weshalb ein ausgebranntes Baumhaus den Kekkerek als Gefängnis toter Seelen galt. Sie würde noch vieles erfahren, aber bis dahin sollten einige Monate vergehen.
    Nun aber hing ihr Blick wie gebannt an dem Kleinen. Trauer und Freude schienen in seinem noch unfertigen Geist miteinander im Streit zu liegen, und in diesen Sekunden beschloß die Springerin unwillkürlich, ein Auge auf ihn zu haben. Es war „Liebe" auf den ersten Blick. Der junge Kekkerek ließ von seinen toten Artgenossen ab und kletterte wieselflink an Nerva-Thans stämmigen Beinen empor. Auf ihrer Schulter saß er still, als sei dort sein angestammter Platz.
    Sie beobachtete ihn ohne sichtbare, erschrockene Regung.
    Auch die fast fünfundzwanzig erwachsenen Kekkerek nahmen den Vorgang als selbstverständlich hin. „Großer Dienst... Große Frau...", schnatterten sie.
    Doch eine der weiblichen Kekkerek trat schließlich vor, holte mit einem geschickten Sprung den Kleinen von Nerva-Thans Schulter und ließ ihn auf ihrem Rücken sich festklammern. „Er ist Kaekkata", brachte sie gut verständlich hervor. Dabei mußten die ungewohnten Laute ihren Stimmwerkzeugen Schmerz bereiten. „Alte Männer sehen ... schlaue Zukunft für Junges."
    Nerva-Than lächelte. „Wir sehen uns wieder, Kaekkata", sagte sie.
    Die Kekkerek verschwanden unterdessen in den Baumkronen ringsum. Man muß ihnen Unterstützung gewähren, dachte die Springerin.
    Sie versuchte fast alles - und erreichte nichts. „Die Spezialisten der Hanse haben gesagt, es sind Halbintelligenzen", erklärte Vollster bei der letzten ihrer Unterredungen. „Daran halte ich mich, auch wenn es dir nicht paßt, Nerva-Than. Außerdem geht meine Dienstzeit hier auf Finisterre bald zu Ende. Du kannst die Angelegenheit mit meinem Nachfolger besprechen."
    Nerva-Than stieß mißmutig Luft durch die Nase aus. Den Nachfolger kannte sie schon, denn sie war vor ein paar Monaten einmal heftig mit ihm aneinandergeraten. „Aber die Kekkerek sind intelligent", behauptete sie ein letztes Mal. „Nicht bloß halb, sondern ganz und gar! Das
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