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1306 - Hexenbalg

1306 - Hexenbalg

Titel: 1306 - Hexenbalg
Autoren: Jason Dark
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fremd im Moment, aber etwas blieb mir nicht verborgen.
    Von diesem Balg strahlte etwas ab, das auf meinem Rücken einen kalten Schauer hinterließ. Es war widerlich und auch menschenverachtend. Dieses Kind passte nicht in den normalen Rahmen hinein oder in unsere Gesellschaft. Es war auch widerlich nackt, und die recht helle Haut wirkte künstlich.
    Es starrte mich auch weiterhin an. Das Grinsen blieb. Für mich wollte es noch immer so etwas wie eine Botschaft verbreiten, und eigentlich wartete ich darauf, dass die Zunge aus dem breiten Maul fahren und mir entgegengestreckt werden würde.
    Das passierte nicht. Ich hörte es auch nicht atmen, aber es kratzte mit den kleinen Fingernägeln über das Holz des Sargdeckels hinweg. Es war wieder recht still geworden, und deshalb vernahm ich die Laute beinahe überdeutlich.
    Als schweres Atmen war nur die Reaktion des Pfarrers zu hören.
    Er stand auch weiterhin im Schnee und hatte endlich den Mut gefunden, mich anzusprechen.
    »Gehen Sie! Gehen Sie schnell weg! Das ist ein Produkt des Teufels, der Hölle. Sie hat uns ein Zeichen gegeben. Der Teufel hat sich die Seele des Verstorbenen geholt. Er hat ein Kind als seinen Diener geschickt. Oder er ist wieder als Kind auf die Welt gekommen. Es ist sein Zeichen gegen den Allmächtigen!«
    »Nein, das glaube ich nicht und…« Ich hielt im Satz inne, weil ich sah, dass der Pfarrer an mir vorbeischaute. Umzudrehen brauchte ich mich nicht, denn der Mann, den er gesehen hatte, blieb neben mir mit hochrotem Kopf stehen.
    Es war der Kollege Pichler, der nicht wusste, was er sagen sollte, denn so etwas hatte er noch nie gesehen. Er wollte die Erklärung von mir haben.
    »Was ist das? Woher kommt es?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Aber Sie haben danach gesucht – oder?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nicht direkt, Kollege. Ich halte es nur für besser, wenn Sie gehen.«
    Er wollte noch nicht. Das Kind war trotz seines hässlichen Aussehens wahnsinnig interessant für ihn. Er konnte seinen Blick nicht abwenden und traf mit seinem Kommentar genau das Ziel.
    »Es ist kein Kind. Es ist ein verdammter Balg. Das kann keine normalen Eltern haben, verflucht.« Er wich zurück und wandte sich an den Pfarrer.
    »Sagen Sie was, Herr Pfarrer…«
    Der Pfarrer schüttelte den Kopf. Er wusste auch nicht, was er unternehmen sollte. Wir sahen ihm an, wie er nach Worten rang und eine Erklärung suchte, jedoch keine fand.
    »Gehen Sie!«, rief ich ihm zu. »Bitte! Es ist allein meine Sache.«
    »Wer sind Sie denn?«
    »Ich habe das Kind gesucht.«
    »Dann kennen Sie es?«
    »Nicht direkt.«
    »Ist es des Teufels?«
    »So ähnlich!«
    Meine Antwort hatte den Mann so verstört, dass er hastig ein Kreuzzeichen schlug. Aber er befolgte meinen Rat nicht, blieb stehen und musste immer wieder auf den Balg starren.
    Bis Erwin Pichler eingriff. Er hatte sich ein Herz gefasst. Um das Grab herum schlug er einen Bogen und vermied es auch, das hässliche Produkt anzuschauen. Nur kurz blieb er neben dem Pfarrer stehen. Dann umfasste er dessen linken Arm und zog ihn vom Grab herunter.
    »Kommen Sie mit, Herr Pfarrer! Herr Sinclair hat Recht. Ich glaube, dass wir hier fehl am Platze sind.«
    Der Geistliche wollte protestieren. Er bekam nur wenige Worte heraus, und auch die waren nicht mehr als ein Krächzen. Aber er stemmte sich nicht mehr gegen den Griff und ließ sich vom Grab ziehen.
    Ich war allein mit dem Balg. Auch wenn der Pfarrer noch so entsetzt gewesen war, in einem hatte er schon richtig gelegen. Dieses Wesen war kein normales Kind. Darin steckte die Kraft einer anderen Welt. Möglicherweise die der Hölle. Die beiden Männer flohen über den Friedhof und bewegten sich dabei wie Angetrunkene.
    Meine Gedanken drehten sich nicht mehr um Theo Thamm. Für mich stand fest, dass er diesen Balg hergebracht hatte. Ich dachte daran, wie er sich gebückt hatte. In dieser Haltung musste irgendetwas passiert sein, das nun leider zum Tragen gekommen war.
    Wenn dieses Kind unter anderem zum Teil ein Geschöpf der Hölle war, dann besaß ich die Mittel, um es zu bekämpfen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es dem Kreuz etwas entgegenzusetzen hatte. Ich bemerkte, dass ich von den kleinen dunklen Augen sehr genau beobachtet wurde. Der Blick glitzerte. Er war wieder so verdammt kalt. Er ging mir unter die Haut. Er sollte mir Angst einjagen, doch ich stand darüber. Ich würde das Kind bekämpfen und wollte das Kreuz hervorholen, als ich hinter mir das leise Räuspern
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