Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel
Autoren: Ursula Bruns
Vom Netzwerk:
Leo, brach schnaufend durch die Hecke und stand wie vom Donner gerührt da. »D-D-Don Chaussee«, stotterte er entgeistert, ehe er, die Augen so weit aufreißend, daß von der Stirn nur noch ein schmaler Wulst übrigblieb, ganz dicht herbeirollte: »Bauen wir den Stall ?« Und als er in den Augen unter dem speckigen Sombrero die Bestätigung las, brüllte er, Frau Martha übersehend, laut: »Hurra !«
    »Er ist wieder da !« schepperte Franziska gleichzeitig los und schrie in den Nebel zurück: »Kommt man schnell, Bernd und Bubi, sagt fein guten Tach!« Sie warf die Zöpfe über die Schultern, strich mit einem schmutzigen Zeigefinger unter der Nase her, zog sie geräuschvoll hoch und fletschte die Zähne in einem breiten Begrüßungsgrinsen. Der Esel, dessen Schwanz sie währenddessen in der Linken hielt, zerrte sie stur und zäh schrittweise zu den Blättern des nächsten Busches, von wo sie mit einem ungewissen Seitenblick Frau Martha streifte. Bernd und Bubi schnauften eilig heran. Sie ließen Onkel Otto einfach los. Der Mann war wichtiger!
    Er sah die dreckverschmierten Gestalten glücklich an, die blassen Gesichter, die kreuz und quer schwarze Streifen trugen von Ästen, Farnkraut, Unterholz, die laufenden Nasen, hastig am Ärmel abgeputzt, die leuchtenden Augen. Seine Kinder.
    »Wir war’n innen Wald un ham Onkel Otto geholt«, berichteten die Kletten stolz.
    Leo schüttelte den Kopf, verständnislos zwar, aber nicht ohne ruppige Nachsicht: »Wenn die Biester bloß nich so doof wären! Woll’n sie doch bloß auf die Weide bringen. Aber mit dem Stall, da hab’ ich noch mal nachgesehen...«
    »Wollen wir nicht erst mal die Esel versorgen? Sonst finden wir sie im Nebel nicht mehr. Dann sprechen wir über den Stall .«
    Leo fügte sich ohne Widerrede. Je eher die Hindernisse aus dem Wege geräumt waren, die der Betätigung seiner handwerklichen Fähigkeiten im Weg standen, um so lieber war es ihm.
    Franziska schielte noch immer zu Frau Martha hinüber, die wie im Traum die Szene an sich hatte vorübergehen lassen. Sie drehte einen Zopf um die Finger und wartete, bereit, den Kopf zwischen die Schultern zu ziehen, auf den ersten scharfen Anpfiff der Chefin. Schließlich war das Wort Esel ja schon mehrfach gefallen.
    Da quiekte vom Haus her Ferdi mit seiner durchdringend hellen Stimme: »Wo seid ihr denn ?«
    Und Leo und Franziska brüllten gleichzeitig los: »Hier. Wiese!« Schon machte Don Chaussee den Mund auf zu herzlicher Begrüßung, als er seine Frau zusammenzucken sah beim Anblick der beiden Freunde. Ferdi hatte geheult. Helle Spuren zogen sich von den Augen zum Kinn durch den Dreck des Buddelnachmittags auf Bormanns Feld. Hubert war käseweiß. Die Haut über den Backenknochen spannte sich, der Mund war fest zusammengepreßt. In der einen Hand trug er einen Karton, mit der anderen drückte er den jungen Hund an sich.
    Leo stieß den Schädel vor: »He, Mensch, wir bauen den Stall !« Er prallte zurück: Sah der komisch aus! Unbehaglich krauste er die Nase und sah zu Don Chaussee auf.
    »Hubert?«
    Frau Martha sah zwischen dem Mann und dem Jungen hin und her. Sie spürte jene Spannung wieder, die sie schon einmal — bei Andreas, im Schuppen — empfunden hatte, jenen unbegreiflichen spitzen Schmerz, der eigentlich nichts mit ihr selbst zu tun hatte. Es war etwas passiert, und es tat Hubert weh. Sie wußte es.
    Hubert schüttelte abwehrend den Kopf. Ferdi hüpfte, wie immer, vor Erregung auf einem Bein herum. »Er — Änne — der Igel«, quetschte er hervor, und schon liefen die Tränen wieder.
    »Heul nicht«, sagte Hubert rauh.
    Don Chaussee hatte begriffen. Er nahm Hubert den Karton behutsam ab und sah hinein. Der Igel hatte die Schnauze weggestreckt und rührte sich nicht. Frau Martha überlief ein Schauer: ein toter Igel! Zugleich vertiefte der feine Schmerz sich zu hilflosem Neid. Sie neidete dem bockigen roten Wildling da die Fähigkeit, um einen Igel zu trauern. Sie hatte nie getrauert, nie sehnsüchtig an Tote gedacht, und nun wehrte sie dem Neid nicht einmal.
    Alle Kinder umdrängten den Karton, auch Ulrike, die erst jetzt, einen Esel um den Hals gefaßt, zu der Gruppe stieß. Stimmen schwirrten auf, kleine entsetzte Schreie, ein Ansatz zu unbeholfenem Trost: »Wir — ehem — ich mach’ ‘ne kleine Kiste, und denn...«, schuffelte Leo, und Franziska vollendete begeistert: »Dann begraben wir ihn. Mit Blumen.«
    Ferdi berichtete anklagend: »Er lag unterm Bett, und er war kaputt, und auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher