Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
13 alte Esel

13 alte Esel

Titel: 13 alte Esel
Autoren: Ursula Bruns
Vom Netzwerk:
lang hatte sie sich nach außen gesichert, und als das Ende von außen zu kommen schien, hatte sie nach einem klugen Ausweg gesucht, heute nachmittag noch, und hatte einen gefunden. Nun kam das Ende von innen und traf sie gänzlich unvorbereitet. Mit jedem der erkennenden Worte war sie leerer geworden. In die Lücken sickerte die Angst nach, bis sie angefüllt war mit Düsternis. Da griff sie mit beiden Händen nach seinen Schultern: »Josef, ich weiß nicht, was ich tun soll...«
    Es traf ihn mehr als vorhin der jähe Ausbruch. Sie, die immer gewußt hatte, was not tat, nicht nur für sich, sondern auch diktatorisch für ihre Umgebung, sie wußte nicht weiter. Wie verstört sie sein mußte!
    »Martha«, sagte er fast stammelnd vor Eifer, möglichst schnell etwas Tröstliches zu sagen, »wie kannst du das nur denken! Du hast so viel Richtiges getan, und du hast schon gespürt, wo noch mehr zu tun ist. Bei den Kindern, das sagst du ja. selbst. Du brauchst es nur noch zu tun. Hab sie lieb, sie brauchen es so! Unsere Kinder! Wir müssen uns beide um sie kümmern, nicht nur, damit aus ihnen etwas wird, sondern damit sie jetzt schon eine gute Jugend haben. Gestern hab’ ich bei Herrn Ess den Vertrag unterschrieben für dich und mich: Wir übernehmen das Heim für immer, als ein Zuhause für uns und — «, er lächelte in einem Anflug von Stolz, »für unsere Familie! Oder willst du nicht mehr mit mir zusammen sein ?«
    Ihre Hände fielen von seinen Schultern, hingen schlaff herunter, und ihr Mund öffnete sich fast töricht zu einem stummen Ausruf. Sie befeuchtete die rissigen Lippen. »Was ?« fragte sie atemlos. »Sag das noch einmal: ein Vertrag ?«
    Er wiederholte es. Sie schüttelte den Kopf. »Mein Gott«, flüsterte sie heiser, »wie ein Rohr im Wind« und ließ sich willenlos zu einem Baumstamm führen, der quer vor dem Wäldchen lag. »Herr Ess meint, ein Zuhause mit mir? Er läßt mich hier? Was habe ich denn nur gedacht ?« Nein, sie faßte es nicht. Sie hätte weinen mögen, aber das hatte sie nie gekonnt. Ihre Verzweiflung und ihre Freude waren tränenlos.
    Jetzt ließ sie es geschehen, daß er ihr sanft über den Rücken strich, beruhigend und fest zugleich, und sie horchte auf jedes Wort, als er ihr erzählte, was ihm Herr Ess damals über die Entstehung und gestern über die Zukunft des Heimes gesagt hatte: daß er es als Mittelpunkt einer neuen Familie sehen möchte, mit sich selbst als Großvater »ehrenhalber«. Als sie ihn von der Seite ansah, entdeckte sie um Mund und Augen wieder die nadelfeinen Linien. Wie die Gesichter der Kinder betrachtete sie nun das seine erstmals richtig, und sie begriff nicht mehr, wie sie es mit den willenlosen Zügen ihres Vaters hatte vergleichen können. Seine Augen blickten klar, nicht verschwommen; der Mund bewegte sich ruhig und regelmäßig, ohne Hast und ohne Härte, aber auch ganz ohne fade Weichlichkeit, und seine leise Stimme war wie ein fester Halt. In die schwere, graue Leere ihres Herzens tropften seine Worte nie gekannte Wärme, füllten es Tropfen um Tropfen mit Zuversicht. Vor den Trümmern ihres Lebens wich langsam die Angst von ihr.
    »Sie müssen wissen, daß sie nun unsere Kinder sind, daß dies ihr Haus ist. Daß keine Ungezogenheit sie von uns trennen kann, daß ihnen niemand ihre Eigenschaften vorwirft, daß wir immer für sie da sind, auch wenn sie böse sind.«
    Ihr Ohr trank die Worte durstig, und dazwischen verwunderte es sie, wie er »wir« sagte, »unsere« Kinder, »unser« Haus, ohne Vorwurf und Triumph. Sie begriff es nicht. Immer noch war er ihr weithin fremd. Sie hatte ihn für schäbig und schwach gehalten, weil er nicht mit ihren Waffen kämpfte. Nun vergrub sie den Kopf an seiner Schulter, selber schwach und elend. »Geh nicht mehr fort«, murmelte sie, augenblickslang wieder von der Angst übermannt. Dann sah sie die Augen im zerfurchten Landstreichergesicht aufleuchten in einem Glück, das warm zu ihr hinüberschlug, eine erste Brücke nach so viel unverbundenen Jahren. Sie war ihm dankbar dafür, daß er nicht über sie sprach, sondern über die Kinder. Und er sah sie so anders, als sie sie je gesehen hatte. »Glaubst du denn wirklich, es wird aus ihnen was ?«
    Er lachte leise. »Sie sind ja schon was. Hubert ist auf dem besten Weg, ein Tierzüchter zu werden. Vielleicht landet er im Zoo, oder im Zirkus. Oder er geht wirklich zum Tigerfang nach Indien. Aus Leo kann ein guter Handwerker werden; was er nicht im Kopf hat, hat er in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher