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1284 - Am Paß der Icana

Titel: 1284 - Am Paß der Icana
Autoren: Unbekannt
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Sekunde. Sie kam auf ihn zu. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte Kolimar Unsicherheit. Zwei Stacheln an seinem Panzer richteten sich auf, seinem Gedankenbefehl folgend.
    „Bleib stehen", sagte er, „oder ich..."
    Weiter kam er nicht. Die Fremde war schneller. Plötzlich lag ein plumpes, mattschwarzes Ding in ihrer Hand. Kolimar sah ein fahles Leuchten; dann traf ihn ein Schlag, der bis in die innersten Fasern seines Körpers hinabfuhr. Er war bewußtlos, bevor sein Panzer mit lautem Klirren und Scheppern zu Boden schlug.
     
    *
     
    Irmina Kotschistowa verlor keine Sekunde.
    Mit sicherer Hand fand sie die kleine Schleusenklappe am Bein des Panzers. Sie öffnete sie, und als ihr die weißliche Körpersubstanz des Elfahders entgegenzufließen begann, hob sie das Bein ein wenig an. Mit raschem Griff fand sie den kleinen Glassit-Behälter, den sie in einer Tasche ihres Gürtels verborgen hatte. Ein Druck des Daumens brach die nadeldünne Spitze. Ein leises Zischen war zu hören. Irmina schob die Phiole durch die Öffnung der Schleusenklappe. Das Gas entleerte sich ins Innere des Panzers. Mit Sorgfalt barg die Mutantin das kleine Behältnis, nachdem es sich völlig entleert hatte. Sie schob es in eine Tasche ihrer Montur. Dann schloß sie die Klappe.
    Sie zog sich auf die gegenüberliegende Seite der Straße zurück. Sie war bereit, sich schleunigst aus dem Staub zu machen, falls jemand des Weges käme. In Mardakka bekam es gewöhnlichen Sterblichen schlecht, wenn sie unter verdächtigen Umständen in der Nähe eines leblosen Elfahder-Körpers beobachtet wurden. Aber die Straße blieb leer.
    Irmina Kotschistowa hatte Geduld. Es dauerte eine volle Stunde, bis die Wirkung des Paralysatortreffers abzuebben begann. Der Elfahder regte sich. Er gab brummende Laute von sich, so daß es sich anhörte, als erwache ein riesiger Bär aus dem Winterschlaf.
    Hinter den Gittern des Helms erschienen die beiden grünen Punkte. Sie schwammen ziellos hin und her, als hätte Kolimar Mühe, den Blick zu fokussieren.
    Die Mutantin wartete voller Spannung. Im Lauf der nächsten Minuten würde es sich zeigen, ob ihr Anti-KM-Serum auch bei einem Elfahder wirkte. Antimachos hatte sie es genannt: gegen den Kampf, gegen die für ihre Begriffe sinnlose Lehre der Ewigen Krieger.
    Der Elfahder richtete sich auf. Er kam auf die Beine. Die beiden grünen Leuchtpunkte hörten auf zu schwimmen. Wenn sie in der Tat Augen waren, dann konnte man wohl sagen: Kolimars Blick richtete sich auf die Vironautin.
    „Du weißt, daß mir keine andere Wahl bleibt", kam es dröhnend aus den Endstufen der Umsetzer. „Ich muß dich töten."
     
    *
     
    Kolimar kam zu sich. Seine Erinnerung war intakt. Auf der anderen Seite der Straße, die nicht mehr als acht Schritte breit war, sah er die Zwergin.
    Sie hatte auf ihn geschossen. Die Entladung eines Lähmstrahlers hatte ihn bewußtlos gemacht. Er richtete sich auf. Es war ein merkwürdiges Durcheinander in seinem Bewußtsein. Er empfand keinen Zorn der Fremden gegenüber, wie es eigentlich hätte sein sollen. Er wäre am liebsten einfach davongegangen. Aber es gab eine Ehre, die er zu verteidigen hatte. Warum und zu welchem Zweck, das wußte er im Augenblick nicht mehr so genau. Aber die Worte kamen ihm wie von selbst auf die Gallertfäden, die die sprachbildenden Organe seiner Körpersubstanz darstellten.
    „Du weißt, daß mir keine andere Wahl bleibt. Ich muß dich töten."
    Es war leeres Gerede. Das wußte er, noch ehe er den letzten Laut von sich gegeben hatte. Er würde die Fremde nicht töten.
    „Selbstverständlich hast du eine Wahl", sagte sie. „Du kannst einfach vergessen, daß du mich je gesehen hast."
    Sie sprach die Wahrheit. Er ertappte sich dabei, wie er darüber nachdachte, ob jemand den Zwischenfall beobachtet haben könne. Wiederum war es, als könne die Vironautin seine Gedanken lesen.
    „Es kam niemand hier vorbei", beruhigte sie ihn. „Niemand weiß, was hier geschehen ist."
    Seine Verwunderung wuchs.
    „Warum...?" begann er.
    „Sagen wir einfach: Es handelt sich um ein Experiment", fiel sie ihm ins Wort. „Mehr brauchst du nicht zu wissen."
    Er gab sich damit zufrieden. Nicht nur der Zorn, auch die Wißbegierde war ihm abhanden gekommen. Er fühlte sich merkwürdig leicht, fast schwerelos. Die Verwirrung fiel von ihm ab. Er hatte keine Sorge. Er vertraute der Fremden. Niemand würde von dem Vorfall erfahren. Seine Ehre war nicht angetastet. Er brauchte nicht zu töten. Wortlos wandte
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