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1279 - Die Jenseits-Pyramide

1279 - Die Jenseits-Pyramide

Titel: 1279 - Die Jenseits-Pyramide
Autoren: Jason Dark
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trat in der Mitte zurück, um dem Gesicht freie Bahn zu lassen. War es ein altes oder ein junges Gesicht?
    Ich konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. Es war beides zugleich, und die Haut stand in ihrem Grau im glatten Gegensatz zu dem Gold der künstlichen Sonne.
    Karmel kam aus ihr. Er drang aus der Sonne hervor, und er wollte mir zeigen, dass er sie beherrschte. Er hatte es geschafft und war zu den höchsten Weihen gelangt, um göttergleich zu werden, denn darum war es im alten Ägypten vielen Hohepriestern gegangen, deren Macht man nie unterschätzen durfte.
    Das Gesicht war recht klein. Ein Kinnbart wuchs nach unten. Eine breite Nase, ein etwas tückisch wirkender Mund und kalte, aber auch sehr böse Augen.
    Ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass die Freunde der Sonne Angst vor ihm bekommen hatten. Er war ihr Götze, den sie zu fürchten hatten, der ihnen aber auch das große Heil bringen würde, wenn sie sich konform verhielten.
    Es blieb beim Gesicht in der Sonne, das mich durch die Wand der Pyramide anstarrte. Ich gab den Blick zurück und suchte in den Augen nach einer Botschaft. Wenn wirklich etwas darin zu lesen war, dann ging es einzig und allein um den Tod.
    Mir war unbekannt, wie die Diener des Karmel Kontakt mit ihm aufgenommen hatten. Sie hatten die Pyramide gefunden, sie hatten gewusst, mit wem sie es zu tun bekamen, aber ich wusste noch immer nicht, ob dieser Karmel echt war, also der, der vor Tausenden von Jahren gelebt hatte, oder ob er jemanden gefunden hatte, der nun seine Rolle spielte.
    Ich wusste nicht, ob die Wände meine Stimme schluckten, wenn ich sprach, ich wollte es einfach auf einen Versuch ankommen lassen und musste mich schon überwinden, um den ersten Satz zu sprechen.
    »Bist du es? Bist du Karmel?«
    »Ja, das bin ich!«
    Beinahe hätte ich gejubelt. Ich hatte ihn in meiner Sprache angesprochen, und er hatte darin geantwortet. Er war kein Geist, er war ein normaler Mensch, dem es aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen gelungen war, Eintritt in die Vergangenheit zu finden.
    »Aber du bist nicht der echte Karmel«, sagte ich.
    »Nein, das bin ich nicht. Ich fühle mich nur als er, denn ich habe die Pyramide gefunden. Ich habe seinen Geist übernommen, und so bin ich zu Karmel geworden. Ich habe die alten Beschwörungen und Rituale genau studiert, und ich weiß jetzt mit der mächtigen Kraft der Sonne umzugehen. Sie hat schon vor langer Zeit Karmel gedient, der den Weg zu ihr fand, und jetzt ist sie bei mir gelandet. Die Sonne, der Zauber und ich, wir haben das Erbe übernommen. Ich bin er, und er ist ich. Ich durchwandere die Zeiten. Ich erforsche die Vergangenheit, in die ich durch die Kraft der Götter hineingetragen wurde, und ich bin in der Gegenwart vorhanden, um meine Botschaft zu bringen.«
    Was er damit meinte, bewies er in den nächsten Sekunden. Karmel überwand die Grenze zwischen der feinstofflichen und der stofflichen Materie. Sein Geist kroch aus der Kraft spendenden Sonne hervor und gelangte so in die Freiheit.
    Sobald er die Scheibe verließ, veränderte er sich. Ich sah, wie sich in seiner Gestalt etwas zusammenfügte. Es war ein wirklich unheimlicher Vorgang, eine Materialisation. Etwas, das man hinnehmen musste, aber real nicht beschreiben und verstehen konnte.
    Der Geist wurde fest.
    Fertig, basta!
    Es zeichneten sich die uralten Kräfte aus dem Götterreich am Nil dafür verantwortlich, denn die Menschen damals hatten sehr genau gewusst, dass das Sichtbare ebenso vorhanden war wie das Unsichtbare, und dass man beide Dinge zusammenbringen konnte, wenn man die entsprechenden Fähigkeiten besaß.
    Er schwebte aus der Sonnenscheibe und stellte sich mit beiden Füßen zuerst auf den Boden, nachdem er sich aus seiner geduckten Haltung aufgerichtet hatte.
    Ich wollte ihn in dem Glauben lassen, wehrlos zu sein. Mein Kreuz hielt ich sicherheitshalber versteckt, und es war auch nicht zu merken, dass es etwas von seiner Nähe spürte. Möglicherweise hielten die Wände der Pyramide diese Botschaft ab.
    Mich überkam der Eindruck, dass alles in einer verlangsamten Form ablief.
    So war es mit seinem Verlassen der Sonne gewesen, und so erlebte ich es jetzt, als er sich langsam aufrichtete.
    Er schwebte für meinen Geschmack mehr, aber auch da konnte ich mich irren, weil das Glas die Perspektive möglicherweise verzerrte.
    Dann stand er vor mir!
    Er trug keine mitteleuropäische Kleidung. Sein Oberteil bestand aus einem Mantel, der ihm bis zu den Knöcheln reichte und
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