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1274 - Der Wolf und das Mädchen

1274 - Der Wolf und das Mädchen

Titel: 1274 - Der Wolf und das Mädchen
Autoren: Jason Dark
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war hier gekommen. Hätte Caroline hier nicht gesessen, hätte ich die Dinge mit anderen Augen gesehen, aber sie würde in dieser Nacht ihre Mutter verlieren. Als ich sie anschaute, sah ich in ihren Augen so etwas wie Verständnis. Als hätte sie begriffen, und sie wirkte plötzlich so erwachsen.
    »Ich muss hier rausgehen, nicht?«
    »Ja.«
    Sie stand langsam auf. »Ich habe fast alles gehört, und ich freue mich darauf, wieder zu Grandma zu kommen.« Der Blick in ihre Augen strafte die Worte Lügen, denn die Tränen waren einfach nicht zu übersehen. Mit einer nahezu rührenden Geste streckte sie mir die rechte Hand entgegen, als wäre ich ihr Vater.
    Bevor wir beide den Raum verließen, galt Carolines letzter Blick ihrer Mutter. Wendy Crane hatte sich nicht vom Fleck bewegt. Noch immer saß sie auf dem Hocker, aber sie blickte ins Leere. Sie wollte weder Caroline noch mich anschauen.
    Der Mund des Mädchens zuckte. Verdammt noch mal, auch in mir stieg vom Magen her etwas hoch. Auf meinen Körper hatte sich eine Gänsehaut gelegt, als wäre ich mit dem schlimmsten Horror überhaupt konfrontiert worden. Was ich tat oder tun musste, war einfach grausam, aber es gab keinen anderen Weg.
    Ich öffnete die Tür.
    Caroline ging vor mir aus der Garderobe. Ich kam in eine andere Welt. Aus den anderen Räumen hörte ich Stimmen. Es wurde gelacht, viel geredet, und plötzlich stand ein Mann im hellen Anzug vor mir, der sich nach Wendy erkundigte.
    »He, was ist mit ihr los? Warum kommt sie nicht?«
    »Es geht ihr nicht gut.«
    »Sind Sie Arzt?«
    »So etwas Ähnliches.«
    Der Mann verengte seine Augen. »Nun ja, ist mir auch egal. Wenn es ihr besser geht, soll sie zum Büfett kommen. Wir haben draußen alles aufgebaut, das weiß sie ja.«
    »Klar, ich sage es ihr.«
    Der Mann wandte sich an Caroline. »Kommst du mit?«
    »Nein.«
    »Okay.« Der Typ nickte mir zu und ging.
    »Das war Walter Kinley, der Regisseur«, erklärte mir Caroline und deutete auf eine schmale Tür.
    »Ich warte so lange auf der Toilette, John.«
    »Wie du willst.«
    Sie zog die Nase hoch. »Kannst du Mum noch einen Gruß bestellen? Und sag ihr, dass ich ihr nicht böse bin.«
    »Das werde ich.«
    Dann ging sie. Ich schaute auf ihren schmalen Rücken. Ich verfluchte in diesen Augenblicken mein Schicksal und hätte mich am liebsten auf einen anderen Planeten gebeamt, aber eine magische Reise war leider nicht möglich. So blieb ich auf der Erde mit all den verfluchten Problemen zurück.
    Als sich Caroline vor der Toilettentür noch mal umdrehte, hatte ich das Kreuz bereits von der Brust weggenommen und in meine Tasche gesteckt. Gesehen hatte das Mädchen es nicht.
    Es öffnete die Tür und verschwand dahinter, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Mir saß auch jetzt noch der verfluchte Kloß im Hals, aber ich konnte nicht anders handeln. Was ich tat, das musste einfach getan werden, auch wenn der Schritt mir noch so schwer fiel.
    Ich drehte mich wieder um und hatte dabei das Gefühl, auf einer Wolke zu stehen oder zu schweben, die dabei war, mich wegzutragen. Das schaffte sie leider nicht, und so blieb ich in dieser Welt mit all ihren Problemen.
    Ich ging wieder zurück. Es war stiller in meiner Umgebung geworden. Die meisten Menschen hatten sich nach draußen verzogen, wo es zu essen und zu trinken gab.
    Welche Qualen die Menschen litten, wenn sie sich in einen Werwolf verwandelten, das wusste ich, aber noch war nichts von irgendwelchen Schreien oder ähnlichen Lauten zu hören.
    Ich stieß die Tür auf.
    Und ich sah Wendy Crane zu einem Monster werden!
    ***
    Sie saß noch immer vor dem Spiegel, als wollte sie sich selbst beobachten. Allerdings hatte sie jetzt den Hocker weiter zurückgeschoben, sodass zwischen dem Garderobentisch und ihr ein größerer Platz entstanden war. Sie hatte die Beine ausgebreitet, den Oberkörper hielt sie gesenkt, und ihr Kopf ruckte immer auf und ab. Sie sah aus wie jemand, der unter Hospitalismus litt. Immer wieder schlug sie den Kopf nach vorn und dann wieder zurück. Sie keuchte dabei, sie stöhnte, schrie, und sie hielt die Hände zu Fäusten geballt.
    Ich hatte die Tür wieder hinter mir geschlossen und schaute nach vorn. Bayonne lag auf dem Boden.
    Er bewegte nicht mal den kleinen Finger. Meine Treffer hatten ausgereicht, und ich war sicher, dass er nichts von der Verwandlung mitbekam.
    Wendy saß plötzlich still!
    Den Kopf halb nach vorn gebeugt, aber nicht in den Spiegel schauend. Sie knurrte vor sich hin, und als ich
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