1274 - Der Wolf und das Mädchen

Farbe an. Es blieb eine nackte Leiche zurück, die sich zusammengekrümmt hatte, die auf dem Kopf kein einziges Haar mehr hatte und aussah wie eine verbrannte Schaufensterpuppe.
    Es war plötzlich totenstill geworden. Ich bückte mich und hob das Kreuz auf. Ich steckte es wieder ein, schaute noch einmal auf die Tote und wusste jetzt, dass ich nicht mehr einzugreifen brauchte.
    Wendy Crane hatte ihre Erlösung letztendlich doch noch gefunden. Ob sie sie sich so vorgestellt hatte, würde ich nie mehr erfahren.
    ***
    Auf leisen Schritten verließ ich die Garderobe. Das Schicksal schien Caroline und mich nicht aus den Augen gelassen zu haben, denn zur gleichen Zeit verließ auch das Mädchen den Toilettenraum.
    Aber wir hatten uns nicht abgesprochen.
    Caro sagte auch nichts. Sie schaute nur zu mir hoch. Ich sah, dass sie geweint hatte.
    Dann nickte ich.
    Jetzt weinte sie wieder.
    Ich musste sie einfach in meine Arme schließen. Sie würde ihre Mutter nicht mehr zu Gesicht bekommen. Sie war auch keine Zeugin gewesen, aber der Schrecken, der auch in der Fantasie entstehen konnte, der musste erst mal verdaut werden.
    »Ich denke, wir sollten jetzt gehen und uns auch unterhalten. Ich muss zuvor nur noch meine Kollegen anrufen und auch einen guten Freund, der Suko heißt.«
    »Mum gibt es nicht mehr - oder?«
    »Nein. Sie ist jetzt woanders«, flüsterte ich mit rauer Stimme und bekam den Kloß noch immer nicht weg. »Aber ich bin sicher, dass es ihr gut geht, meine Kleine.«
    Sie nickte. Dann fasste sie wieder vertrauensvoll nach meiner Hand. »Kann ich zurück zu meiner Grandma?«
    »Aber sicher, Caro. Und ich selbst werde dich dort hinbringen.«
    ENDE