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1260 - Wahnsinn in Wales

1260 - Wahnsinn in Wales

Titel: 1260 - Wahnsinn in Wales
Autoren: Jason Dark
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mich leicht ärgerte. »Was schaust du denn so? Ich mache mit, das versteht sich. Oder glaubst du, dass ich zurückbleibe?«
    »Nein, nein. Ich denke nur an deinen Zustand.«
    »Mir ging es schon schlechter«, erwiderte ich trotzig. »Wir müssen Bill und die Frau mit ihrem Kind finden. Alles andere ist völlig unwichtig. Lass uns gehen.«
    Ich wollte weitermachen und nicht aufgeben. Bei jedem Menschen gibt es eine Grenze. Wenn die überschritten ist, wird er irgendwie zur Maschine, da sind andere Dinge dann nur Nebensache.
    »Ich übernehme dann die Führung«, erklärte der Schäfer. »Aber gebt immer gut Acht. Der Weg wird jetzt etwas schwieriger. Wir müssen ihn wieder hinabgehen, und das schon innerhalb der Schlucht. Aber auch so kommen wir zur Kanzel.«
    Für ihn, den großen Schweiger, war das eine recht lange Rede gewesen.
    Zuerst war noch alles leicht, aber schon knapp eine Minute später erreichten wir den Rand der Schlucht, und der war zum Glück bewachsen, sodass wir eine natürliche Deckung erhielten.
    Ich warf einen Blick nach rechts. Ich sah den dunklen Himmel, aber ich sah auch das Meer in der Ferne. Es kam mir vor wie ein riesiger wogender Vorhang, dessen Anfang ebenso wenig zu sehen war wie das Ende. Aber er war nicht ganz dunkel. An bestimmten Stellen malten sich helle und tanzende Lichter ab, wie irisierende Geister, die über die Wasserfläche huschten. Dabei waren es nur die Positionsleuchten der Schiffe, die ihre Bahnen zogen.
    »Es gibt hier einen Weg!«, klärte uns der Schäfer auf. »Ich kenne ihn, für Fremde ist er nicht leicht zu finden. Bleibt dicht hinter mir.« Er hatte die Worte kaum gesprochen, da war er schon verschwunden, und auch wir sackten fast weg, als wir Ben folgten.
    Jeder musste einen langen Schritt machen, dann hatten wir den Weg erreicht und konnten stehen bleiben. Um uns herum wuchsen Krüppelbäume. Auch Pflanzen hatten hier ihren Lebensraum gesucht und gefunden. Manche waren sehr flach, andere sahen aus wie Farne. Wir spürten unter den Füßen auch weiches Moos und drückten unsere Hacken hinein, um eine bessere Standfestigkeit zu haben.
    Nachdem sich Ben Cork davon überzeugt hatte, dass es uns gut ging, setzte er seinen Weg fort.
    Auch jetzt war ihm der Stock behilflich. Suko und ich hielten uns an den ausladenden Zweigen fest, die immer wieder in unseren Weg ragten.
    Der Pfad schlängelte sich in engen Kurven in die Tiefe. Hier oben gab es noch keine Wand, die senkrecht abfiel, das war erst weiter unten und in Höhe der Kanzel der Fall.
    Da Ben Cork so leise wie möglich ging, bemühten wir uns ebenfalls darum. Die Nacht war sehr still. Fremde und verdächtige Geräusche hätten wir sofort gehört, aber noch tat sich da nichts, abgesehen vom fernen Rauschen des Meers.
    Der Schäfer vor uns duckte sich noch tiefer, dann war er plötzlich verschwunden. Sekunden später sahen wir ihn schon wieder, aber da ging er nicht mehr, sondern wartete auf uns.
    Wir hatten ihn bald erreicht und konnten uns an einem krummen Baumstamm festhalten. Auch das Gesicht des Schäfers zeigte die Anstrengung, die hinter ihm lag, und die wenige Haut, die zu sehen war, schimmerte schweißnass.
    »Wir sind aber noch nicht da?« fragte Suko.
    »Fast.«
    »Wo ist die Plattform?«
    Der Schäfer drehte sich etwas nach links, damit sein Blick freier wurde. Suko tat es ihm nach. Nur ich blieb noch zurück und klammerte mich an einem Ast fest. Ich war schweißnass und fühlte mich zu matt und ausgelaugt. Die verdammten Schmerzen machten mir immer noch zu schaffen.
    Ich kämpfte. Ich atmete ruhig und sehr tief. Ich wollte mich in den Griff kriegen und kein Ballast für die anderen beiden sein.
    Suko kehrte zurück. »Wir sind tatsächlich da. Die Plattform ist ebenfalls eine Laune der Natur. Danach aber geht es steil bergab.«
    »Wo?«
    »Sei vorsichtig, John.«
    Ich winkte wütend ab und schob mich an meinem Freund vorbei. Hinter sperrigen Zweigen sah ich die Gestalt des Schäfers. Er drehte sich, als er mich hörte.
    »Wir haben Glück, John, sie sind noch nicht da. Aber mein Gefühl sagt mir, dass sie kommen werden und dass es nicht mehr lange dauert.«
    »Gut.«
    Nach dieser knappen Antwort konzentrierte ich mich auf mich selbst und auf die Umgebung. Ich stand in einer Mulde und konnte über den Rand hinweg nach unten schauen. Da sah ich tatsächlich die Zunge oder die Plattform.
    Aus dem Hang heraus schob sich dieser Felsen wie eben eine Zunge oder ein breites Sprungbrett, von dem man wirklich
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