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120 - Sterben in Berlin

120 - Sterben in Berlin

Titel: 120 - Sterben in Berlin
Autoren: Jo Zybell
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Bulldogge aussieht. Sie weiß aber, dass Bullo lieb ist, sehr lieb. Immer bevor er zu seiner Frau und seinen Kindern geht, schaukelt er sie oder erzählt ihr eine Geschichte vom wilden Meer, auf dem er einst mit Schiffen herumfuhr. Anniemouse würde gern mal eine Bulldogge sehen, und ein Schiff und ein Meer.
    Die Schaukel schwingt langsamer, Ann kann kaum noch über die Balustrade gucken. »Komm, Junge, stoß mich an!«
    Der Junge dreht sich um, guckt sie an, kommt zur Schaukel, und dann spürt sie seine Hände auf dem Rücken. Sie sind viel kleiner als Bullos Hände, aber auch er ist stark. Canada liegt jetzt vor der Balustrade und lauert hinunter in den Saal.
    »Ich heiß Ann, meine Mom ist Königin, ich bin fast vier Jahre alt. Bald kommt mein Dad. Wie heißt du?« Unten im Saal haben Jennymom, Johaan, Gertraud und die Frau am kleinen runden Tisch Platz genommen. Der Mann im Radstuhl sitzt neben der fremden Frau. Miouu steht etwas abseits. Sie hat ein Geheimnis, sie ist lieb, sehr lieb. Bullo ist nirgends mehr zu sehen.
    »Tilmo«, sagt der Junge. Seine Hände mögen kleiner sein als die Bullos, aber die Schaukel fliegt trotzdem fast bis zur Decke. »Dein Vater war ein paar Tage lang König von Beelinn, stimmt’s?«
    »Natürlich. Wo wohnst du?«
    »Im Wald.« Nur kurz berühren seine Hände ihren Rücken, schon schwebt sie unter der Decke und streckt die nackten Zehen nach dem Leuchter aus. Unten, am runden Tisch, sprechen sie. Anniemouse kann die Stimme des Mannes im Radstuhl hören. Sie klingt müde. »Die Tiere sind meine Freunde«, sagt Tilmo. »Und die Räuber.«
    »Räuber sind böse.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich habe einen gesehen. Der sah wild aus und hat böse geguckt.«
    »Auch gute Menschen können wild und böse aussehen«, sagt Tilmo, während er sie anschubst. Anniemouse denkt über seine Worte nach, und wer fällt ihr ein? Bullo fällt ihr ein.
    »Und verdammt böse Menschen können verdammt ordentlich aussehen und verdammt freundlich gucken«, sagt Tilmo.
    »Bullo ist lieb«, sagt Ann leise. Sie merkt gar nicht, wie sie wieder zur Decke hinauf fliegt. Unten sitzen sie und reden.
    Jennymom, Gertraud und die Männer jedenfalls. Die fremde Frau schweigt. Eine schöne Frau.
    »Klar ist er lieb.« Die Hände des Jungen berühren ihren Rücken nicht mehr. »Er hat ja gute Augen. Du musst immer auf die Augen achten.« An ihr vorbei geht er zur Balustrade, setzt sich neben Canada auf den Boden und beginnt sein dichtes langes Fell zu kraulen. »Immer auf die Augen achten«, sagt er über die Schulter gewandt. »Die lügen nicht. Meistens nicht.«
    Die Schaukel pendelt aus. Anniemouse denkt nach. »Wenn mein Dad kommt, werde ich ihn fragen.«
    »Der kommt doch sowieso nicht.«
    »O doch!« Ann hat ihren Dad erst einmal gesehen.
    »Natürlich kommt er!« Jennymom nennt ihn Matt, wenn sie von ihm spricht; manchmal auch Commander. »Ich weiß, dass er kommt! Bald!«
    ***
    Nicht seine Leibwachen rollten ihn in den Garten, auch nicht seine Diener – die Frau tat es. Ohne Mühe schob sie den Rollstuhl den regenfeuchten Weg zum überdachten Pavillon in der Mitte des großen Gartens. Das Gewitter war weitergezogen, am Himmel zeigte sich die Sonne. Siimn blickte nach links und nach rechts, lobte die Blütenpracht von Johaans Blumenbeeten, lobte die Teichanlage mit den großen dunkelblauen Wasservögeln, die sie hier in Beelinn Schweena nannten, lobte das Spalier von blühenden Fruchtbäumen, das den Weg hinauf zum Pavillon säumte.
    Die Frau sprach kein Wort, doch ihre bewundernden Blicke entgingen Johaan nicht. Von Zeit zu Zeit erhaschte er einen Blick von ihr, ein Lächeln, und es verriet ihm, wie wohl der Anblick seines Gartens ihrer Seele tat.
    Siimn hatte sie als Naura vorgestellt. Sie sprach fehlerfreies Doyz im Großen und Ganzen, ihr harter, kehliger Akzent verriet sie dennoch als Fremde. Johaan vermutete, dass sie aus einer der Siedlungen östlich der Oda stammte. Gern hätte er mehr über sie erfahren, er vermochte selbst nicht zu sagen warum. Weil sie schön war und interessant wirkte womöglich?
    Johaan, der Erste Königliche Berater, besaß den schönsten Garten von Beelinn. Sprichwörtlich schön sogar, denn wenn die Bewohner des Dorfes auf die Ansehnlichkeit eines Menschen, eines Abendhimmels oder eines Werkstücks hinweisen wollten, pflegten sie seit einiger Zeit die Redensart: Schön wie Johaans Garten.
    »Dennoch habe ich meine Zweifel am Vorgehen deines Stammesfürsten«, sagte
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