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120 - Sterben in Berlin

120 - Sterben in Berlin

Titel: 120 - Sterben in Berlin
Autoren: Jo Zybell
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Johaan, als sie am runden Tisch unter dem Kuppeldach des offenen Pavillons Platz genommen hatten. Er sprach von der Militäraktion Pottsdams gegen Braandburg. »Ich persönlich hätte den diplomatischen Weg bevorzugt.«
    Ein Diener Johaans schenkte Tee ein, ein zweiter trug ein Gebäck auf. »Deine verehrte Kollegin Gertruud war da ganz anderer Meinung, wenn ich sie richtig verstanden habe«, lächelte Siimn, der fürstliche Gesandte aus Pottsdam. »Und die Königin ebenfalls, wie mir schien.«
    Königin Jenny hatte Johaan und nicht ihre Zweite Königliche Beraterin mit den Einzelverhandlungen betraut.
    Davon abgesehen, dass Bolle Karajan von Pottsdam sie aus seiner Schatulle bezahlte – was in Beelinn selbstverständlich niemand wusste – waren sie und Johaan einander in innigster Feindschaft verbunden.
    »Nun, verehrter Siimn, dass die liebe Gertruud grundsätzlich einen Standpunkt vertritt, der dem meinen gegenüber sozusagen den weitest möglichen Abstand wahrt, gehört gewissermaßen zu ihrer Berufsauffassung. Und die Königin…« Johaan lächelte zurück und hob in einer halb hilflosen, halb bedauernden Geste die Arme. »Bist du nicht selbst vertraut mit dem Wesen eines Herrschers, verehrter Siimn? Welchen Standpunkt soll die Königin denn vertreten, wenn dein Fürst ihr ein Bündnis anbietet und Beweise für eine bevorstehende militärische Aggression Pottsdams vorlegt? Natürlich bedankt sie sich, und natürlich wird sie sich offiziell mit Kritik zurückhalten.« Johann schob der schönen Naura die Platte mit dem Gebäck zu. Sie bedankte sich mit einer Verneigung, lächelte und griff zu. Ihr Lächeln berührte eine Stelle hinter Johaans Brustbein, die sich ungewohnt gut anfühlte. Das gute Gefühl verwirrte ihn beträchtlich.
    »Inoffiziell hätte ich eine diplomatische Offensive natürlich auch bevorzugt.« Siimns freundliche Miene wirkte ein wenig gequält. Überhaupt machte er auf Johaan den Eindruck eines gesundheitlich angeschlagenen Mannes. Hatte Rudgaar nicht im vorletzten Winter von einer Lungenschwäche des Pottsdamers berichtet? »Aber du kennst ja Fürst Bolle Karajan – wie schon sein Vater und Großvater favorisiert auch er rasche und vor allem gründliche Lösungen.«
    »Du erzählst mir nichts Neues, mein lieber Siimn. Das Haus Leeman wagte schon Angriffe gegen Beelinn, als unser Geschlecht hier noch mit Feuer und Schwert verfolgt wurde.«
    Ein Seitenblick auf die Frau verriet ihm, dass seine Bemerkung sie neugierig gemacht hatte. »Es gab Zeiten in Beelinn, da herrschte Ihr Geschlecht uneingeschränkt und mit harter Hand über unsereins, verehrte Naura«, hob er an und erzählte von den Epochen, in denen Frawen und Menen sich in den Ruinen der großen Stadt bis aufs Blut bekämpft hatten; von den finsteren Jahrzehnten, in denen die Amazonen von Beelinn die Oberhand gewannen und alles jagten und töteten, was einen Bart und gewisse äußere Geschlechtsmerkmale trug, es sei denn, es ordnete sich ihrer Herrschaft unter; und schließlich von der Ankunft der göttlichen Königin Jenny, die gemeinsam mit dem ähnlich rätselhaften Maddrax den Frieden zwischen den Geschlechtern wieder herstellte. »Und das ist gerade mal etwas mehr als vier Winter her, verehrte Naura. Seht selbst, wie Beelinn aufgeblüht ist seitdem.«
    »Und die Kleine auf der Schaukel oben auf der Galerie, das ist Maddrax’ Tochter?«, erkundigte sie sich mit ihrer dunklen Stimme. Eine Stimme, die jene Stelle hinter Johaans Brustbein erneut mit Wohlgefühl erfüllte.
    »Die Tochter der Königin und die Tochter Maddrax’, so ist es«, bestätigte Johaan knapp. Das Thema war ihm unangenehm. Er wandte sich an Siimn. »Und nun sollten wir die Einzelheiten des Bündnisvertrages festlegen, damit die Königin und der Fürst ihn noch vor dem Herbst unterzeichnen können.«
    Johaan schickte nach einem Schreiber, und bei Tee und Gebäck formulierten er und der fürstliche Gesandte aus Pottsdam den Vertragstext. Dabei erwies sich Siimn nachgiebiger und entgegenkommender als sonst bei solch heiklen Gelegenheiten. Johaan fragte sich mit Blick auf Naura, ob der Liebesrausch ihn so milde stimmte oder ob das Alter sich allmählich bei ihm bemerkbar machte. Ja, er wirkte seltsam ermattet. Oder hatte sich die Lungenschwäche zu einer chronischen Erkrankung entwickelt? Nun ja, an irgendwas musste man eines Tages sterben.
    Naura promenierte während der Verhandlung durch den Garten, was Johaan mit Stolz registrierte. Aus den Augenwinkeln
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