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1183 - Zwischen Licht und Finsternis

Titel: 1183 - Zwischen Licht und Finsternis
Autoren: Unbekannt
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beizubringen. Etliche der jungen Männer, die früher erschienen waren, mochten sogar schon die ersten Pläne schmieden, sie wie ihre Konkurrenten ausschalten konnten. Das verschaffte ihnen einen deutlichen Vorteil, der von der Behörde in der Regel stillschweigend geduldet wurde.
    Yurn atmete tief durch. Während er die Eingangshalle betrat, mußte er sich immer wieder einreden, daß zur Nervosität absolut kein Grund bestand. Er meldete sich ordnungsgemäß an, fuhr mit dem Lift in den dritten Stock und ging über einen langen, kahlen Flur zum Zimmer „seines" Sachbearbeiters. Hinter sich hörte er Schritte, als ein weiterer Aspirant den Fahrstuhl verließ. Er kümmerte sich nicht darum, schloß sogar die rückseitigen Augen, um den anderen nicht zu sehen. Er wußte, daß sie Feinde waren.
    Yurn trat durch die Tür und grüßte knapp. Der Sachbearbeiter hockte hinter einem wuchtigen Schreibtisch und machte einen ausgesprochen gelangweilten Eindruck. „Du weißt sicher, warum wir dich herbestellt haben", begann er formlos. „Jeder Hane, der dieses Gebäude betritt, weiß es."
    Yurn machte eine Geste der Zustimmung und setzte sich unaufgefordert auf einen der beiden Besucherstühle. Ein kleines Schild auf der Schreibtischplatte klärte ihn darüber auf, daß der Name des Beamten Lüütryioyik lautete. Der Mann selbst wirkte wie einer, der sich anschickte, eine Litanei herunterzubeten, die er täglich mit steigender Unlust und immer undeutlicher werdender Betonung wiederholte. „Meine Dienststelle, der Erste Block der Fortpflanzung, hat von der Klostersiedlung Hinkriit die Nachricht erhalten, daß wieder eine junge Blues-Frau geschlechtsreif entlassen wurde. Inzwischen befindet sie sich bereits in einem Einest, wo sie auf ihren Partner wartet. Du verstehst, was ich meine?"
    „Gewiß", sagte Yurn, während er die Blicke durch den Raum schweifen ließ. Bis auf den Schreibtisch, eine Computerkonsole mit Bildschirm und einen altertümlichen Aktenschrank gab es kein Mobiliar. Hinter dem Beamten hing eine Landkarte, die einen Ausschnitt der nördlichen Planetenhalbkugel darstellte. Die restlichen Wände waren kahl. „Du bist einer von 25 Männern", fuhr Lüütryioyik in leierndem Tonfall fort, „dem dieses Einest zugeteilt wurde. Aber du weißt natürlich, daß nur derjenige, der das Einest als erster erreicht, sich mit der Frau paaren darf. Darin besteht bekanntlich unser Ausleseprinzip. Anders geht es nicht. Du kennst die Hintergründe ..."
    „Nein", wagte Yurn einzuwerfen. „Ich meine, nicht genau ..."
    Der Beamte fixierte ihn unwillig. Offenbar fühlte er sich aus dem Konzept gebracht. „Normalerweise lernt man das in den Klostersiedlungen", meinte er abweisend. „Es ist nicht meine Schuld, wenn du die Hintergründe nicht kennst. Trotzdem will ich sie in groben Zügen erklären. Das Volk der Hanen unterscheidet sich hauptsächlich in zwei Punkten von allen anderen Blues-Völkern. Man nimmt heute an, daß ein biochemischer Einfluß dafür sorgt, der wahrscheinlich durch die hiesige Nahrung erzeugt wird. Erstens: Unser Volk ist klein, die Bevölkerungszahl liegt bei knapp zwei Milliarden, und die Geburtenrate ist niedrig. Zweitens: Auf einen weiblichen Neugeborenen kommen im statistischen Mittel 25 männliche. Alle diese Umstände bestimmen unsere Gesellschaftsstruktur. Hat dir das niemand beigebracht in deiner Kindheit?"
    „Doch", gab Yurn zu. „Das wußte ich bereits. Ich dachte, du meinst etwas anderes, als du von 'Hintergründen' sprachst."
    „Was hätte ich sonst meinen sollen? Mehr weiß ich auch nicht. Wenn du genauere Informationen oder irgendwelche Analysen hören willst, mußt du dich schon an den Achten Block der Wissenschaft oder den Dritten Block der Statistik oder sonstwohin wenden. Das fällt nicht mehr in mein Ressort. Ich kann schließlich nicht über alles Auskunft geben."
    „Niemand erwartet es", versicherte Yurn.
    Lüütryioyik musterte ihn prüfend, als sei er sich nicht darüber im klaren, wie er die Bemerkung auffassen sollte: Vielleicht fühlte er sich in seiner Amtsehre gekränkt, oder er hatte ganz einfach Minderwertigkeitskomplexe. „Um wieder zum Thema zurückzukommen", meinte er schließlich verdrossen, „will ich dir noch einige Regeln ans Herz legen. Du hast 24 Konkurrenten, die du entweder hinter dir lassen oder gänzlich ausschalten mußt, wenn du das Einest als erster erreichen willst. Ist ja ganz logisch, nicht? Ihr startet alle an verschiedenen Orten, die aber vom Ziel
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