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1167 - Die Tochter des Dämons

1167 - Die Tochter des Dämons

Titel: 1167 - Die Tochter des Dämons
Autoren: Jason Dark
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hatte.
    »Vater?«, flüsterte sie. »Bist du es wirklich? Hast du mich gerufen? Bist du da?«
    »Ja, ich bin da!«, wisperte der Wind oder die Stimme des Toten. »Ich muss einfach da sein, denn ich habe noch eine Aufgabe zu erledigen, meine Liebe.«
    »Aber du hast…«
    »Ich habe versagt, Alina. Es tut mir sehr Leid. Ich hätte noch leben können, aber ich habe mich überschätzt. Du kennst mich, aber du hast mich nicht richtig gekannt. Ich sage es ungern, aber es stimmt. Ich bin etwas Besonderes gewesen, und dieses Besondere, was du auch hier an meinem Grab erlebst, wirst auch du erleben. Denn du bist ausersehen, um in meine Fußstapfen zu treten. Es kann Segen und Fluch zugleich für dich sein. Ich kenne das, und ich habe Jahre meines Lebens darunter gelitten. Ich hätte es dir gern erspart, meine Liebe, doch ich kann nicht. Es gibt Gesetze, gegen die ich mich nicht stemmen kann. Man muss da einer anderen Macht gehorchen.«
    Alina fühlte sich nicht mehr als Mensch. Sie war aus dieser Welt herausgerissen worden. Sie stand neben sich. Sie konnte nicht fassen, was mit ihr geschah. Sie kniete vor dem Grab des Vaters und hatte zugleich das Gefühl, ins Nirgendwo zu schweben. Es war alles anders geworden. Der Zustand, sich auflösen zu können, war gar nicht so weit entfernt. Alina blieb nichts anderes übrig, als sich treiben zu lassen. Gegen diese Mächte kam sie als Mensch nicht an. Es spielte auch keine Rolle, ob sie die Augen offen oder geschlossen hielt. Wenn sie sie öffnete, sah sie zwar, aber die eigentliche Umgebung nahm sie nicht wahr. Die war einfach verschwunden, abgetaucht in das ungewöhnliche Licht einer anderen Welt, in dessen Mittelpunkt sich ihr Vater in seinem jetzigen Zustand befinden musste.
    Er hatte zu ihr gesprochen, doch auch dieses Sprechen war nicht normal gewesen. Alina hörte nicht mit den Ohren, sondern mit dem Kopf. Die Stimme erreichte nur ihren Geist, als hätte sie mit ihrer Seele Kontakt aufgenommen.
    Da war sie wieder. So weicher, aber auch bestimmend, und Alina hörte genau zu. »Du wirst das fortführen müssen, was ich in meinem Leben erlebt habe. Es wird für dich eine große Umstellung werden. Ich habe dir nie davon erzählt, und ich weiß auch nicht, ob es noch einen zweiten Menschen auf der Welt gibt, der dieses Phänomen in sich gehabt hat. Ich hatte es, und ich gebe es an dich weiter. Du wirst die Welt mit anderen Augen sehen, und ich betone den Begriff ›andere Augen‹ besonders. Du wirst die Menschen erkennen, aber du wirst es auch schaffen, hinter ihre Fassade zu schauen. Es kann manchmal zu einem Bild des Schreckens werden, und es ist möglich, dass du an der Welt verzweifelst. Tu es nicht. Nimm dein Schicksal an, aber gehe behutsam damit um. Es kann sein, dass du jemand findest, der dir zur Seite stehen wird, aber sei äußerst misstrauisch, denn dir wird es gelingen, das Übel zu erkennen. Mein Erbe gibt dir den entsprechenden Anstoß.«
    Die Stimme versagte. Alina spürte das Rauschen in ihrem Kopf. Sie wusste nicht so recht, wie sie mit den Neuigkeiten fertig werden sollte. Es war ihr viel mitgeteilt worden, von der ganzen Wahrheit allerdings sah sie sich noch meilenweit entfernt.
    »Was möchtest du mir denn sagen, Vater?«
    »Nichts mehr, mein Kind. Ich habe genug gesagt. Ich möchte dir nur etwas geben.«
    »Was, bitte?«
    »Es ist mein Erbe.«
    Für Alina hatte er wieder in Rätseln gesprochen. Ein Erbe übergeben? Sie konnte sich darunter nichts vorstellen, doch sie glaubte nicht, dass es sich dabei um Geld handelte. Das wäre schon längst erledigt gewesen. Es musste etwas anderes sein. Vielleicht ein Wissen. Etwas das in der Vergangenheit verborgen lag und worüber ihr Vater niemals mit ihr gesprochen hatte. Sie erinnerte sich daran, dass es Tage gegeben hatte, an denen er sehr seltsam und irgendwie anders gewesen war. In sich gekehrt, sehr verschlossen. Da hatte er Probleme gehabt, und Alina hatte sich auch danach erkundigt, aber nie eine Antwort bekommen. Höchstens ein Lächeln und ein Kopfschütteln.
    »Wie willst du es mir geben?«
    »Hier.«
    »Aber…«
    »Nein, nein, mein Kind, ich weiß, was du jetzt denkst. Aber es ist nicht so wie du annimmst. Ganz und gar nicht. Es ist auch etwas, das man nur einmal vererben kann. Wer es dann besitzt, der muss damit rechnen, Feinde zu haben, die ihm auf den Fersen sind, weil sie sich davor fürchten, verraten zu werden. Denn du bist diejenige, der wirklich die Augen geöffnet werden. Ich vererbe dir mein
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