Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1164 - Die Wolfsfrau

1164 - Die Wolfsfrau

Titel: 1164 - Die Wolfsfrau
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
abweisend.
    Die Blicke der Liegenden glitten über die glatte Haut am Hals hinweg. Da war alles normal, bis auf zwei leicht verkrustete Wunden.
    Etwas musste sie dort gestochen oder geritzt haben. Ein Insekt oder ein Dorn. Etwas anderes konnte sich Alice nicht vorstellen. Bei genauem Hinschauen entdeckte sie auch den dünnen Blutfaden, der eine Spur nach unten auf der hellen Haut hinterlassen hatte.
    Judy lächelte. Es geschah sehr langsam. Sie zog die Lippen in die Breite und schob die obere dann zurück.
    Alice schaute auf die helle Reihe der Zähne, um dann noch etwas anderes zu sehen.
    Zwei Zähne wuchsen anders. Spitzer, auch länger…
    Alice war noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um zu erkennen, was aus ihrer Schwester geworden war. Aber Judy wollte es wissen und stellte die Frage flüsternd.
    »Hast du sie gesehen?«
    »Wen? Was?«
    »Die beiden Zähne.«
    »Ja, habe ich.«
    Das Lächeln der Vampirin vertiefte sich. »Und was schließt du daraus, Schwester?«
    Alice wusste, dass Judy eine Antwort haben wollte. Sie lag ihr auch auf der Zunge, doch sie war einfach zu unwahrscheinlich. Deshalb konnte sie es auch nicht aussprechen. Die Antwort formulierte sie in Gedanken.
    Es war nicht zu begreifen. Judy gehörte zur Gruppe der Blutsauger. Sie war ein weiblicher Vampir, und sie als ihre Schwester war ebenfalls ein Monster.
    Vampirin und Werwölfin - das alles in einer Familie, die einfach von einem Fluch getroffen sein musste. Etwas anderes konnte sich Alice nicht vorstellen.
    »Jetzt weißt du es, nicht wahr?«
    Alice schloss für einen Moment die Augen. Sie wollte nicht reden, doch sie konnte nicht anders.
    »Ja, ich weiß es!«, hauchte sie. »Du hast es mir ja gezeigt. Du bist ein Vampir. Du… du trinkst das Blut der Menschen, glaube ich.«
    »Du musst es nicht glauben, Schwester, es stimmt. Ich trinke Blut. Ich muss es tun. Es ist meine Nahrung, verstehst du? Das Blut ist mein Lebenselixier, und daran wird sich auch nichts ändern. Mir hat man das ewige Leben gegeben. Ich habe es getrunken, Schwester.«
    »Ja, ich weiß. Und ich bin auch nicht anders.« Die Worte flossen von einem Stöhnen begleitet aus dem Mund der Wölfin, die jetzt aussah wie ein normaler Mensch. »Aber nicht immer. Nur in den Vollmondnächten schlägt der Fluch zu. Ich lebe drei Wochen im Monat normal, nur eine Woche nicht. Aber ich habe gelernt, damit umzugehen. Ich habe mich in ein einsames Haus zurückgezogen. Es ist für mich alles sehr schlimm, aber du bist noch ärger dran.«
    »Ja, Schwester, aus deiner Sicht. Ich fühle mich wohl. Ich bin im Moment nicht so stark wie in der Nacht, doch ich bin stark genug, das musst du wissen.«
    »Für wen willst du stark sein?«
    Judys Augen erhielten plötzlich einen besonderen Glanz. »Für dich, meine Schwester. Ich will für dich stark sein, denn ich werde mir etwas von dir nehmen.«
    »Was?«
    Judy löste die rechte Hand von Alices Schulter. »Blut, meine Liebe, nur Blut.«
    »Mein Blut, wie?«
    »Ja. Es wird mich laben, auch wenn etwas anderes darinsteckt und ich davon ausgehe, dass es kein normales Menschenblut ist. Ich werde auch den Keim der Wölfin aufsaugen. Ich werde ihn schmecken können und vielleicht werde ich zu einem Teil von dir. Ist das nicht wunderbar, meine kleine Schwester? So kommen wir auf einem bestimmten Umweg wieder zusammen.«
    Alice Carver hatte gut zugehört. Als Werwölfin hätte sie noch eine Chance gehabt, aber nicht als Mensch. Die Geschöpfe der Nacht waren den Menschen an Kräften überlegen, aber wehrlos wollte sich Alice nicht hingeben.
    »Hat es Sinn, dich zu bitten, es nicht zu tun, Schwester?« Sie startete einen letzten Versuch.
    »Nein, das hat es nicht. Es ist sinnlos. Ich kann nicht anders. Du wirst erleben, dass auch du in den Strudel hineingerätst. Dann, Alice, sind wir wieder zusammen. Dann kann uns nichts mehr trennen. Zwei Schwestern, die sich mögen, die sich gleich sind. Ich will den Keim. Ich will deinen Keim.«
    Nach diesen Worten sagte Judy nichts mehr. Sie setzte ihren Vorsatz in die Tat um. Sie glaubte fest daran, Alice schon jetzt unter ihrem Einfluss zu haben.
    Sehr langsam beugte sie den Kopf. Es war eine schon beinahe liebevoll Bewegung, mit der sich Judy dem Ziel näherte. Der Hals war für sie wichtig. Dort sprudelte das Blut am besten aus der Ader. Schon jetzt freute sie sich wie wahnsinnig auf dessen Süße.
    Alice bewegte sich nicht. Noch nicht. Sie wollte ihrer Schwester keine Gelegenheit geben, schon vorher etwas zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher