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1163 - Der Blut-Galan

1163 - Der Blut-Galan

Titel: 1163 - Der Blut-Galan
Autoren: Jason Dark
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sich aufmerksam machen. Sollte sich dort hinter der Tür nichts tun, würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als sie aufzureißen. Er glaubte nicht, dass er sie eintreten musste.
    Cash suchte bereits nach den richtigen Worten für eine Ansprache, als er den ersten Laut hörte.
    Obwohl er sich darauf eingestellt hatte, erschreckte ihn dieses Geräusch tief. Damit kam er zunächst nicht zurecht, weil er so etwas nie zuvor gehört hatte. Jetzt fiel ihm wieder die Warnung des Junkies ein, der von unmenschlichen oder tierischen Lauten gesprochen hatte.
    So war es.
    Ein tiefes, brummendes Geräusch, das aber sehr schnell überging in ein Heulen. Cash stellte sich unwillkürlich die Frage, ob ein Mensch überhaupt in der Lage war, ein derartiges Geräusch abzugeben. Das war nicht zu beschreiben. Es konnte seiner Meinung nach von keinem Tier und auch keinem Menschen stammen, und der Fahnder bekam eine Gänsehaut.
    Er konnte nachfühlen, dass der Junkie den Raum hier fluchtartig verlassen hatte. Sogar sein Besteck und den Stoff musste er vergessen haben, denn Milton hatte es in einem der anderen beschmutzten Toilettenräume auf den Boden liegen sehen. Deshalb war der Typ auch fast clean gewesen.
    Das Heulen blieb noch. Auch wenn es sich abgeschwächt hatte. Milton versuchte herauszufinden, welche Gefühle es transportierte. Das konnte Angst sein, aber auch Wut oder ein wilder Hass. Vielleicht auch die Reaktion auf die Unzulänglichkeit des Schicksals. Da kam eben alles zusammen.
    Es mündete in einem Fauchen oder leisem Knurren. Wie schon am Anfang. Milton hatte bisher kein Wort gesagt. Sein Vorhaben, die unbekannte Person hinter der Tür anzusprechen, hatte er sehr schnell aufgegeben.
    Die Türen der Toiletten ließen sich nach außen öffnen, und das war in diesem Fall am besten.
    Mit der linken Hand umfasste der Fahnder den schmutzigen Griff. Hier ließ sich nichts mehr abschließen, hier war alles brüchig geworden, und Milton zerrte die Tür mit einem heftigen Ruck auf.
    So wild, dass er beinahe noch auf dem schmutzigglatten Boden ausgerutscht wäre.
    Er sah, dass die Kabine besetzt war. Er hatte viel in seinem Leben gesehen, aber das, was er in diesem Fall zu Gesicht bekam, überstieg bei weitem alles.
    Er konnte es nicht glauben. Er dachte an einen bösen Traum, aber es stimmte nicht. Er befand sich in der Realität, die ihm dieses schreckliche Bild bot.
    Auf der Schüssel, die weder einen Deckel noch eine Brille hatte, hockte eine junge Frau. Ihr Gesicht war blutverschmiert, und in der rechten Hand hielt sie ein Taschenmesser, von dessen Klingenspitze das Blut zu Boden tropfte…
    ***
    Das war der Hammer. Das war der Schock der Woche. Der Klopfer des Monats. Wie auch immer, es war ein Bild, das perfekt in einen Horrorfilm gepasst hätte, aber nicht in die Realität. Die Frau war noch jung. Sie musste die Zwanzig gerade überschritten haben. Sie trug eine Kleidung, die mehr den Namen Lumpen verdient hätte. Eine zerlöcherte Jeans, ein langes Hemd, das bis zu den Kniekehlen reichte, schmutzige Turnschuhe und ein buntes Tuch um die Hüfte geschlungen.
    Das fahle Haar umhing das Gesicht wie ein leicht verfilzter Vorhang. Auch in den Strähnen klebte noch das Blut, das sich sowieso auf dem gesamten Gesicht verteilte und ebenfalls die Kleidung benetzt hatte, wo es eingetrocknet war und rostbraune Flecken bildete.
    Dann war da noch das Messer. Mit seiner Klinge musste sich die Person die Schnitte und Wunden selbst zugefügt haben. Eine andere Erklärung gab es für den Fahnder nicht, der die Unbekannte ansprechen wollte, sich dann jedoch lieber zurückhielt, weil er sah, wie die magere Gestalt ihren Mund bewegte und die Zunge nach vorn drückte, um sie um ihre Lippen kreisen zu lassen.
    Cash Milton musste schlucken. Was er sah, hielt er kaum für möglich. Sie leckte ihr eigenes Blut ab.
    Sie ließ sich auch nicht stören. Für sie war Milton nicht vorhanden.
    Die Frau bewegte ihren Arm und hielt ihn senkrecht vor ihr Gesicht. So war sie in der Lage, dort ebenfalls mit der Zungenspitze das Blut abzulecken.
    Es war ein Bild des Grauens. Der blanke Horror. Das passte in einen Film, aber nicht in das normale Leben. Für Cash war es manchmal wie ein Sumpf, durch den er waten musste. In diesem Fall war es ein besonders tiefer. Er konnte nicht begreifen, was diese Person da tat und warum sie es machte.
    Das Ablecken des eigenen Blutes geschah nicht lautlos. Es war mit schmatzenden und auch schlürfenden Geräuschen verbunden.
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