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115 - Die Herrin des Sumpfes

115 - Die Herrin des Sumpfes

Titel: 115 - Die Herrin des Sumpfes
Autoren: A.F.Morland
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nicht einfach hinnehmen. Sie wird dich bestrafen. Du bist ein Verdammter - ein Mann ohne jede Chance. Dieser Urwald wird zu deinem Grab.
    Sobald er sich von seinem Schrecken erholt hatte, nahm er die Last wieder auf. Er setzte sich das Deckenbündel auf den Kopf und balancierte es den schmalen Pfad entlang; die Waren, die er gekauft hatte und die viermal so teuer gewesen waren wie zum Beispiel in Manaus. Das lag an der langen Kette der Zwischenhändler, die alle verdienen wollten.
    Mit einem Garimpeiro - einem Goldsucher - konnte man das machen. Er hatte nur die Wahl zu kaufen - oder zu verhungern.
    Als Nico die primitiven Holzhütten erreichte, war er müde.
    Die Goldschürfersiedlung hatte keinen Namen, Willkür hatte sie entstehen lassen, und die Menschen hier lebten größtenteils nicht miteinander, sondern nebeneinander.
    Es war ein hartes Leben, für das sie sich entschieden hatten, eine elende Schinderei; und sie wären nicht hier geblieben, wenn die Hoffnung sie nicht festgehalten hätte.
    Hinzu kamen die zahlreichen Gerüchte, die wie die Moskitos durch den Urwald schwirrten und davon verkündeten, daß dieser oder jener Garimpeiro das große Los gefunden hatte, auf eine Goldader gestoßen war, die ihn über Nacht reich gemacht hatte.
    Darauf hofften sie alle - auf Reichtum. Während sie sich abrackerten und ihre Gesundheit systematisch untergruben, träumten sie oft mit fieberglänzenden Augen von jenem anderen Leben. Sie sahen sich in Geld schwimmen und nicht in diesem graubraunen Schlammwasser des Amazonasflusses. Sie sahen sich in prunkvollen Häusern wohnen und nicht in diesen armseligen Hütten. Sie sahen sich wohlduftende Speisen essen und nicht den pappigen Reis, diese vitaminarme Kost, die sie täglich in sich hineinstopften.
    Eines Tages würde alles anders sein.
    Davon träumten sie. Davon ließen sie sich nicht abbringen. Davon waren sie überzeugt. Mit dem Gold würde die Wende kommen!
    Natürlich fanden sie auch jetzt Gold, aber es war so wenig, daß sie davon lediglich ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten - ab und zu ein paar Gramm Goldstaub, mühsam aus dem Flußschlamm herausgewaschen… Er hielt sie bei der Stange, denn sie waren sicher, irgendwann mehr davon zu finden. Man mußte nur Geduld haben. Wer sie aufbrachte, wurde reich belohnt.
    Saboa lag in einer Hängematte. Sie war ein faules Stück, aber sie war eine Frau, und das ersparte es Nico, zu den Prostituierten zu gehen. Hier gab es keine, aber ein paar Kilometer flußaufwärts. Keine Schönheiten, aber sie wußten, was die Garimpeiros brauchten, und für die richtige Menge Goldstaub bekamen sie es auch.
    Auch Saboa war nicht schön. Sie hatte langes, schwarzes, gewelltes Haar und keinen besonders gut geformten Körper. Dennoch war Nico mit ihr besser dran als andere Garimpeiros. Sie beneideten ihn sogar um Saboa. Im Urwald konnte man es sich nicht erlauben, wählerisch zu sein.
    Natürlich kostete Saboa etwas. Er hatte sie zwar nicht gekauft - das hätte er sich nicht leisten können -, aber er hatte ihrem Bruder versprechen müssen, ihn mit durchzufüttern; und er mußte Joao Derecca auch etwas von dem Gold abgeben, das er fand.
    Nico konnte Joao nicht leiden. Der Bursche war in seinen Augen ein Parasit. Er war arbeitsscheu und trank zuviel. Er betrachtete seine Schwester als sein Kapital, und da Saboa alles tat, was ihr Joao Derecca befahl, mußte Nico Vega zwangsläufig mit ihm leben, denn wenn er Joao zum Teufel jagte, nahm dieser seine Schwester mit.
    Nico setzte das Deckenbündel ächzend ab.
    »Wieder zurück?« sagte Saboa, ohne die Augen aufzumachen.
    »Ja, und ich habe Hunger.«
    »Es gibt nichts.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil ich nichts gekocht habe«, sagte Saboa.
    »Du faules Luder!« ärgerte sich Nico. »Ich sollte dich verprügeln.«
    »Das versuch mal. Dann schlägt dir mein Bruder die Zähne ein«, gab das Mädchen zurück.
    Sie schwang sich aus der Hängematte und stemmte die Fäuste in die Seiten. Wenn sie sich so herausfordernd vor ihm aufpflanzte, hätte er sie am liebsten geohrfeigt. Er tat es nur deshalb nicht, weil Joao ein ziemlich kräftiger Bursche war, und da er kaum arbeitete, war er obendrein unverbraucht.
    »Hast du mir etwas mitgebracht?« fragte Saboa.
    »Konserven.«
    Sie schaute ihn enttäuscht an. »Sonst nichts? Keine Bonbons? Keine Schokolade? Ich würde heute nacht wieder besonders zärtlich zu dir sein.«
    »Ich finde es widerlich, wenn du so redest.«
    »Alles im Leben hat seinen Preis.
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